Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0743 - Die Kinder des Adlers

0743 - Die Kinder des Adlers

Titel: 0743 - Die Kinder des Adlers
Autoren: Austin Osman
Vom Netzwerk:
bleichen Gestalten an kleinen Schreibtischen, über Zahlenkolonnen gebeugt, die sie mit Bleistiften in ihren dürren Fingern ergänzten. Die Köpfe fuhren hoch, als die Schritte Zamorras und Leos in der angespannten Stille erklangen. Tausend rötliche, entzündete Augen über verzerrten Mündern starrten auf die Eindringlinge.
    Die Anwesenheit einer bösen Macht war hier körperlich zu spüren. Dennoch gab es keinen Widerstand, als Zamorra den Saal durchquerte. Erst als er sich der Tür an der gegenüberliegenden Seite näherte, erhob sich erstes leises, zahnloses Zischeln. Schließlich wurde quiekender Protest laut, einige Gestalten standen sogar auf und schlurften langsam auf den Dämonenjäger zu, als der die Hand auf die Klinke legte. Einige leichte Stöße warfen sie rückwärts zu Boden, wo sie liegen blieben und müde strampelten.
    Zamorra öffnete die Tür. Es war, als hätte er eine Schleuse geöffnet, hinter der sich die schwarzen Wasser einer boshaften Macht stauten. Eine Macht, wie sie Zamorra bisher nicht begegnet war - kühl, trocken und geschickt umfing sie jeden Gedanken und formte ihn um. Jeder Aufruhr wurde mit einem besseren Argument beantwortet, jedes Aufbegehren mit dem unwiderlegbaren Hinweis, dass es alles so sein musste, wie es war.
    Zamorra schaute auf die weiße Gestalt, die ihm gegenüber hinter einem Schreibtisch saß. Es war ein Körper von monströsen Ausmaßen, ähnlich dem eines See-Elefanten. Aus den Schultern ragten zwei dünne Arme. Ein Kopf fuhr hoch und richtete sich auf Zamorra. Der Dämonenjäger hatte eine ähnlich stumpfe Visage erwartet, wie er sie draußen tausendfach gesehen hatte. Aber er blickte nun in ein schmales, fein geschnittenes Gesicht, mit schmalen Lippen, einem energischen Kinn und zwei tiefen Falten über der Nasenwurzel. Das Ganze wirkte, als hätte man den Kopf von einer altrömischen Statue genommen und auf den Körper einer riesigen Made gesetzt.
    Langsam näherte sich Zamorra der Kreatur. Er hörte schlurfende Schritte und registrierte, dass es seine eigenen waren, die jetzt so klangen wie die der Abertausenden von Arbeitern.
    Das Wesen hinter dem Schreibtisch schaute ihm gelassen entgegen. Es verbreitete eine eisige Aura der Kontrolle um sich, der völligen Beherrschung und fehlerlosen, gefühllosen Berechnung, in der jedes andersartige Denken sofort den Erfrierungstod starb.
    Zamorra spürte, wie die Kälte in ihn eindrang. Sie hatte sogar etwas Befreiendes. Was ging ihn dieser verdammte Wald an, was kümmerten ihn irgendwelche lärmenden Papageien oder stinkende Affen oder halb irre indianische Trottel? Das alles war so ungeheuer nebensächlich. Ebenso nebensächlich wie seine eigene Existenz. In diesem Moment fraßen sich die Maschinen in das Herz des Waldes und das war gut so, weil es keinen rationalen Argumente dagegen gab. Und selbst für sein eigenes Weiterleben wusste Zamorra kein hinreichendes Argument. Alles war gut, weil alles so berechnet worden war. Diese Welt war vollkommen.
    Er spürte Leo, der sich an ihn drängte. Der Junge griff in Zamorras Tasche und holte einen Gegenstand heraus, den er Zamorra in die widerstrebende Hand drückte. Dieser Junge war einfach lästig. Er verstand es einfach nicht. Er weigerte sich aus reinem Starrsinn, die Sachzwänge anzuerkennen.
    Der Gegenstand in Zamorras Hand war aus Holz. Es fühlte sich seltsam warm an - angenehm, aber fremdartig in dieser Welt aus Eisen. Die Empfindung in der Handfläche bewirkte eine winzige Erschütterung in seinen Gedanken. Die kristallklare Überzeugung geriet ins Wanken, splitterte, stürzte ein.
    Ein Name war es, der den Ausschlag gab - Nicole…
    Zamorra hatte ihn vergessen, jetzt wirkte er, als hätte jemand die Sperre an einer gespannten Feder gelöst.
    Mit einem Satz war Zamorra auf dem Schreibtisch und schwang den Donnerkeil, denn natürlich war es nichts anderes, was Leo ihm in die Hand gedrückt hatte.
    Zamorras Angriff spiegelte sich in den kalten gelassenen Augen des Wesens, die sich plötzlich weiteten, Angst und Schrecken zeigten, als die heilige Waffe in seinen Madenleib fuhr.
    Ein Wirbel erfasste den Dämonenjäger, warf ihn vom Schreibtisch, riss ihn von den Beinen. Der Raum verschwamm, löste sich auf in einen sausenden Sturm, der ihm die Sinne raubte…
    ***
    Plötzlich lag das Amulett in Nicoles Hand.
    Luiza bemerkte die Veränderung, bevor Nicole überhaupt das Gewicht in ihrer Hand registriert hatte. Ein zorniges Fauchen kam aus dem Mund der schwebenden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher