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0735 - Die Armee aus dem Ghetto

Titel: 0735 - Die Armee aus dem Ghetto
Autoren: Unbekannt
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    Die roten Nebel teilten sich. Eine eigenartige Szene wurde sichtbar. Ein Mädchen... eine Frau ... Sylvia! Sie stand vor einer kahlen grauen Wand. Er sah sie deutlich, und auch sie schien ihn zu sehen, denn sie lächelte ihm traurig zu. Sie war nackt. Im Vordergrund bewegten sich undeutlich Schatten, und plötzlich stach ein nadelfeiner, greller Lichtstrahl auf Sylvia zu.
    Das Mädchen schrie auf. Sergio sah, wie sie sich krümmte, und fühlte den Schmerz, wie seinen eigenen. Ein zweites Mal stach der grelle Lichtstrahl zu. Sylvia schrie noch erbärmlicher und ging in die Knie, die Arme wie um Hilfe flehend in die Höhe gereckt.
    „Sylvia...!"
    Irgendwo in seinem Gehirn schien etwas zu explodieren.
    Er konnte den Schmerz nicht mehr ertragen, den seinen nicht und auch nicht den ihren.
    „Ich will reden!" schrie er. „Ich will reden...!"
    Porta Pato war einst einer der mächtigsten Stützpunkte der Lemurer gewesen. Nach allem Anschein hatte er gerade gegen Ende des mörderischen Krieges gegen die Haluter den Höhepunkt seiner Aktivität erlebt und war ohne Zweifel bis zu jenem Tag in Betrieb gewesen, als der lemurische Großkontinent in einem kataklysmischen Sich-Aufbäumen zerbarst und unterging.
    Fünfzigtausend Jahre später hatten die letzten Immunen der Erde den längst verlassenen Stützpunkt wieder besetzt. In den Tiefen des Pazifiks hauste Reginald Bull mit seinen paar tausend Leuten, dem letzten Aufgebot der Menschlichkeit. Die Immunen, die sich zu einer Gemeinschaft mit dem Namen ORGANISATION GUTER NACHBAR zusammengeschlossen hatten, bewohnten bei weitem nicht die gesamte Fläche des Stützpunkts. Die nämlich war viel zu groß für so wenig Leute, und zu Reginald Bulls nimmer endendem Verdruß vergrößerte sie sich täglich um ein paar zusätzliche Quadratkilometer, weil neugierige Männer und Frauen es nicht lassen konnten, in unerforschten Gängen umherzuspionieren und immer neue Hallen und Etagen zu entdecken.
    Die OGN bewohnte mehrere Etagen abseits des Kerns des alten Stützpunkts. Im Kern selbst hatteri die Lemurer Waffen aller Art gelagert: Vom großkalibrigen Raumgeschütz bis hinab zur Handfeuerwaffe. Abseits davon, ein paar hundert Meter nach Norden, gab es Mannschaftsquartiere, ein Rechenzentrum und eine Krankenstation.
    Diese letztere war zwar nach den Erkenntnissen der lemurischen Medizin ausgerichtet, die den Leuten von der OGN wesentlich weniger vertraut war als die lemurische Technik. Aber die Ärzte unter den Immunen hatten es verstanden, das kleine Lazarett nach ihren Bedürfnissen umzumodeln.
    Im Augenblick allerdings gab es nur einen einzigen Patienten, einen jüngeren, schmächtigen Mann von olivbrauner Hautfarbe mit glänzend schwarzem, straff zurückgekämmtem Haar. Er lag auf seiner Ruhestatt und wirkte krank eigentlich nur wegen der großen, traurigen Augen, mit denen er auf den Arzt blickte, der vor ihm stand.
    Auf dem Tisch, der neben der Krankenliege stand, befand sich ein kleines Bandgerät, von dem er dem Patienten vorgespielt hatte.
    „Du erinnerst dich daran, Ranjit?" fragte er, als das Band abgelaufen war.
    Der kleine Mann mit den traurigen Augen nickte ernsthaft.
    „Ich erinnere mich daran, Doktor", antwortete er. „Es ist mir, als hätte das ganze Zeug irgendwann einmal in meinem Schädel gesteckt."
    „Das hat es auch, Ranjit", bekräftigte der Arzt.
    Ranjit Singh, der Patient, streckte sich seufzend in seine Polster.
    „Ich bin entsetzlich müde, Doktor", sagte er mit matter Stimme.
    „Ich glaube, die Sache hat mich doch wesentlich mehr mitgenommen, als ich dachte."
    Der Arzt grinste spöttisch. Er trat auf die Liege zu und faßte Ranjits Oberarm. Ein Griff, ein Ruck - Ranjit stieß ein steinerweichendes Jaulen aus und fuhr senkrecht in die Höhe.
    Entsetzt starrte er den Arzt an.
    „Du bist weder müde, noch mitgenommen, Ranjit", lachte der Mediziner seinen Patienten an. „Du bist nur entsetzlich faul. Ich erkläre dich hiermit für vollständig wiederhergestellt, und wenn du nicht morgen früh an deinem Arbeitsplatz erscheinst, dann soll dich der Teufel holen!"
    Der Arzt - neununddreißig Jahre alt und schon in der Aphilie geboren - verließ sein Revier und fuhr mit dem Antigravlift drei Stockwerke hinauf in den Bereich der Rechnerlabors. In einem dieser Räume, der mit Rechneranschluß und allen denkbaren technischen Hilfsmitteln ausgestattet war, verbrachte seit einiger Zeit sein Freund, der Semantiker, seine Tage und Nächte.
    Sulliman Cranoch, ein
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