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073 - Dämonenrache

073 - Dämonenrache

Titel: 073 - Dämonenrache
Autoren: Frank deLorca
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Lagorge fand sogar, dass das Personal vom Tage mit seinen Lieblingen ausgesprochen lieblos umging. ›Lieblinge‹ – ja, so nannte Lagorge die Hände, Beine, Köpfe und Organe um ihn herum. Er hegte und pflegte sie, passte auf, dass sie richtig konserviert blieben. Kein einziges Luftbläschen durfte in die Flaschen dringen. Sie waren ja so empfindlich, seine Lieblinge.
    Die Unordnung vom Nachmittag war wieder einmal groß. Seufzend machte sich Victor ans Aufräumen. Die Hände mussten in die oberen Regale, rechts neben der Tür. Santin, der medizinische Assistent vom Nachmittag, hatte sie natürlich wieder weiter unten eingestellt.
    Victor nahm die Behälter aus den Regalen, stellte alle auf den Boden und ordnete sie neu ein.
    Die weiße, schon bläuliche Hand einer Frau betrachtete er besonders lange. Er stellte sich vor, wie diese Hand ihn liebkosen würde, und ein wohliger Schauer floss seinen Rücken hinab, brachte seine Hände leicht zum Zittern. Um ein Haar wäre ihm das Glas entfallen.
    Vorsichtig stellte er es zurück und drehte das Glas so, dass er die Hand darin von seinem Tisch aus gut sehen konnte.
    Er wusste nicht, zu wem diese Gliedmaßen gehört hatten. Es interessierte ihn auch nicht. Für ihn waren es selbständige Gebilde, die, losgelöst von einem Körper, ein geheimnisvolles Eigenleben führten, ihm Geschichten, auch intime Geschichten, erzählten.
    Victor Lagorge war zufrieden. Er hätte sich keine schönere Aufgabe wünschen können. Es tat ihm fast körperlich weh, wenn am Morgen ein Teil der Reagenzien in den Anatomiesaal gebracht wurde, die Studenten mit ihren Skalpellen an ihnen herumschnitten und seine Lieblinge zerstört wiederbrachten.
    Victor dachte mit Grausen an den Blecheimer draußen im Hof, in den er die zerstörten Leichenteile schütten musste, wenn sie für weitere Studien nicht mehr zu gebrauchen waren. Einmal in der Woche kam ein Wagen vom Krematorium und holte die Blechtonne ab.
    Aber zu Victors Glück brauchte sich die Akademie um Nachschub nicht zu sorgen.
    Der bleiche Mann, dessen faltige Haut der der Leichenteile um ihn herum nicht unähnlich war, setzte sich an seinen wackeligen Schreibtisch und schaute sich den Neuheitsbogen durch. Weit beugte er seinen Kopf über das Blatt.
    Seine Lippen bewegten sich, als er den Text entzifferte. Wenn neue Leichen eingeliefert wurden, waren sie namenlos. Ihre persönlichen Daten erstreckten sich auf die Angabe des Geschlechts, des Gewichts und der Länge. Dazu noch das Alter und manchmal die Todesursache, wie sie im Totenschein gestanden hatte.
    Zwei Neue waren tagsüber angeliefert worden. Ein Unfallopfer. Eine Stadtstreicherin, geschätztes Alter vierundfünfzig Jahre, war von einem Auto angefahren worden. Sie war betrunken über die Fahrbahn getorkelt.
    Die zweite Eintragung handelte von einem Mann, ein Meter vierundachtzig groß, siebenundachtzig Kilogramm schwer, guillotiniert.
    Victor Lagorge erinnerte sich an die Schlagzeilen in der Zeitung. Wie hatte der Hingerichtete doch wieder geheißen?
    Ach richtig – Leon Dumarche. Ein Massenmörder. Er hatte fünf Prostituierte getötet. Auf bestialische Weise, hieß es.
    Victor Lagorge lächelte still. Ein interessanter Mann. Seine Arme, seine Beine würden ihm noch viele Geschichten erzählen, würden die langen Stunden der Nacht im Leichendepot der Akademie verkürzen helfen. Ein Mann nach Victors Geschmack.
    Plötzlich hatte er das Verlangen, den Mörder zu sehen. Er stand auf und schlurfte zur Stahltür hinüber, die zur Kühlkammer führte. Frische Leichen wurden normalerweise eingefroren.
    Victor schaltete das Licht ein. Neonlampen gleißten auf. Der Alte mochte dieses Licht nicht. Das drüben in seinem Zimmer war ihm viel lieber. Aus den vier Sechzig-Watt Birnen fiel ein milder Schein, der seinen Augen wohl tat.
    Aber hier? Victor Lagorge schüttelte den Kopf. Sein schlaffes Doppelkinn wabbelte.
    Den Raum mit den Kühlfächern mochte er nicht. Sein Blick streifte den Seziertisch. Über ihm die Operationslampe.
    In einem Brett hingen die Geräte, mit denen die Chirurgen die Neuen kleiner machten: eine elektrische Knochensäge, scharfe Messer, Skalpelle für die feineren Schnitte.
    Eine Wand wurde von drei Reihen Kühlfächern eingenommen. Sie glichen überdimensionierten Schubladen. An zweien dieser Fächer brannten rote Lampen. Die Kühlung war in Betrieb.
    Victor Lagorge musterte die Nummern.
    In Nummer 12 lag der Massenmörder.
    Victor zog den Schub heraus. Eine sinnreiche
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