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0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

Titel: 0720 - Zwei Verdammte aus Aibon
Autoren: Jason Dark
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so weit, daß der blutige Brocken zu Boden rutschte.
    Rugan hockte ihm gegenüber. Auch er hatte das Flötenspiel gehört. Und auch er wollte nicht mehr essen, er blieb jedoch nicht sitzen, sondern stand mit einer schnellen Bewegung auf.
    Beide wußten, daß sie entdeckt worden waren, und beide machten sich auf einiges gefaßt.
    Rugan ging einige Schritte zur Seite. Er hielt das Messer in der rechten Hand. Auf seinem Gesicht zuckte es. Dann sah es so aus, als würden sich die Geschwüre bewegen, die selbst auf seinem kahlgeschorenen Schädel ihren Platz gefunden hatten.
    Rugan kam nicht weit.
    Der Flötenspieler hatte sich längst angeschlichen und stand praktisch vor ihnen.
    Rugan zuckte zurück.
    Er sah einen Mann mit brandroten Haaren und einer Kleidung, die dem Laub eines herbstlich gefärbten Baumes glich. Auf dem blassen Gesicht hatte der Mann zahlreiche Sommersprossen und wie immer hielt er sein Instrument, die Flöte in der Hand. Sie war im Lande Aibon so etwas wie ein Markenzeichen, wie auch die Person selbst, die auf den Namen der Rote Ryan hörte.
    Ihnen hätte vieles passieren dürfen, nur keine Begegnung mit dem Roten Ryan.
    Er war so etwas wie der Hüter eines bestimmten Landes, er achtete darauf, daß alles klappte, er wollte den Frieden, aber er konnte auch grausam sein und strafen.
    Kool aß ebenfalls nicht weiter. Wie ein erstarrter Götze hockte er vor dem Tier, verschmiert mit Blut, das er nicht einmal abzuwischen wagte.
    Der Rote Ryan sagte nichts. Er ging an Rugan vorbei und umrundete das tote Tier.
    »Wir hatten Hunger«, sagte Kool.
    »Ich weiß.«
    »Das mußt du verstehen.«
    »Sicher.« Der Rote Ryan blieb stehen. Von seiner Position aus konnte er beide anschauen. Er hatte grüne Augen, die in diesem Augenblick wirkten, als wären irgendwelche Algen von grünen Eisstücken umschlossen. Beide wußten, was das bedeutete.
    Ein Urteil, vielleicht sogar den Tod.
    Sie hatten Angst, sie zitterten, und auch Kool erhob sich. Beiden war klar, daß sie einen Frevel begangen hatten. Die Gesetze dieser Welt waren von ihnen nicht eingehalten worden, sie wußten über die Strafen Bescheid, sie kannten auch den Roten Ryan, und sie hätten in dem anderen Teil des Landes bleiben sollen, wo Haß und Gewalt an der Tagesordnung waren und der mächtige Herrscher Guywano sein grausames Zepter schwang und seine Untertanen unterjochte.
    Kool legte die Hände so zusammen, daß sie eine bittende Geste bildeten. In seinem wüsten Gesicht überwog der ängstliche Ausdruck. Er, der keine Gnade kannte, der Tiere erst quälte, bevor er sie verspeiste, erwartete dies von anderen.
    Durfte er das überhaupt?
    Der Rote Ryan stand vor ihm. Er war keine Person, die wie ein Henker wirkte. Er liebte die Natur mit all seinen guten und schlechten Seiten. In der normalen Welt der Menschen hätte man ihn als einen Grünen angesehen, aber hier in Aibon war er ein Hüter und auch ein Grenzgänger zwischen diesen beiden Aibon-Welten.
    Rugan hielt sich zurück. Er wollte nicht in diese bittende Geste verfallen, sondern stand lauernd und mit vorgezogenem Kopf daneben und wartete.
    Der Rote Ryan wählte seine Worte sorgfältig aus, bevor er redete. »Ich könnte euch töten. Ich hätte nach den Gesetzen dieser Welt sogar das Recht dazu. Aber wir befinden uns auf der anderen Seite des Landes Aibon. Hier hat Guywano nichts zu sagen, bis hierher reicht sein Einfluß einfach nicht. Ich würde die Gesetze selbst übergehen, wenn ich euch jetzt vernichte.«
    Bei Kool keimte Hoffnung auf. »Du… du läßt uns am Leben? Du wirst uns nichts tun?«
    Der Rote Ryan strich seine wilde Mähne zurück. »Du hast mich falsch verstanden, Kool. Ich werde euch schon etwas tun. Ihr werdet aus dieser Welt verschwinden, in die ihr nicht hineingehört. Und ich werde euch auch nicht mehr die Chance einer Rückkehr geben. Ich werde euch verfluchen, ich werde euch ausstoßen. Nicht mehr Aibon wird eure Welt sein, sondern eine andere. Die Welt der Menschen, die Welt, in der ihr euch zurechtfinden müßt, in der ganz andere Gesetze herrschen- als in Aibon, in der ihr einen anderen Haß und eine andere Liebe kennenlernen werdet. Alles wird anders sein. Nicht nur äußerlich, sondern auch im Innern der Menschen. Ihr werdet euren Trieb nicht stoppen können. Ich weiß, daß ihr Kannibalen seid, dann aber werdet ihr mit den Menschen in Konflikt geraten, nicht mehr mit Druiden.«
    Kool duckte sich.
    Rugan ächzte.
    Beide wußten, daß der Rote Ryan dieses Versprechen
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