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0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

Titel: 0720 - Zwei Verdammte aus Aibon
Autoren: Jason Dark
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sich so gut abzustemmen, daß sie den Rand der Grube umfassen und sich hochziehen konnte.
    Es waren nur wenige Schritte, die aber hatten es in sich, denn sie ging nicht mehr so wie auf dem Waldboden. Bei jedem Tritt sank sie ein und erzeugte dabei schmatzende Geräusche, die sich anhörten, als würde irgendein Wilder rohes Fleisch verspeisen.
    Es sah so aus, als würde sie durch Wasser schreiten, nur mühte sie sich wesentlich schwerer ab.
    Dann war sie da.
    Unter ihr lag ein Platz, wo das Fleisch schon sehr alt war und dementsprechend weich. Sie sank noch tiefer und entdeckte dabei Felle, die an einigen Stellen noch hell schimmerten. Das mußten Schaffelle sein.
    Trotz des Grauens war ihr in den vergangenen Sekunden einiges klargeworden. Sie wußte jetzt, weshalb keine Tiere mehr umherliefen. Sie konnten es gar nicht, denn sie waren alle getötet und in die Grube geschleudert worden.
    Wer hatte das getan?
    Es war typisch für sie, daß sie sich mit diesem Motiv gedanklich auseinandersetzte. Möglicherweise hatte sie das durch ihre wenigen Stunden im Zusammensein mit John Sinclair gelernt, aber den wollte sie jetzt ausklammern. Es ging einzig und allein um sie selbst.
    Jessica schaute an der Wand hoch, maß die Entfernung ab. Es würde schwer sein, überhaupt den Rand mit den Fingerspitzen zu erreichen.
    Dennoch mußte sie es versuchen.
    Sie achtete nicht auf das Getier, das Körper und Gesicht bedeckte, sackte etwas in die Knie, um in dieser Haltung genügend Schwung holen zu können.
    Jessica tat nichts.
    Sie lauschte nur, denn etwas hatte sich verändert. Über sich hörte sie ein bestimmtes Rascheln. Es ertönte nur dann, wenn jemand durch das Laub schritt.
    Ein Tier konnte es nicht sein, es blieb der Mensch. Ein Fremder im Wald, einer, der die Fallgrube gebaut hatte und sich jetzt davon überzeugen wollte, welche Beute ihm in das Netz gegangen war.
    Sie sprang nicht. Dieser Vorsatz war aus ihrem Hirn ausradiert worden. Dafür stellte sie sich die schlimmsten Dinge vor. Wie ein mordlüsternes Etwas am Rand der Grube erschien, schwerbewaffnet, um sie zu malträtieren.
    Die Grube war keine Grube mehr im eigentlichen Sinne. Sie kam ihr vor wie ein großes Grab, in dem sie irgendwann einmal vermodern würde. Aus den Augenwinkeln schielte Jessica Long in die Höhe. Die Schritte waren noch immer da, sie gingen mit ihrem Herzschlag synchron. Wer immer die Person auch sein mochte, sie machte es spannend. Obwohl sie die Grube bereits erreicht hatte, stellte sie sich nicht an deren Rand auf, um in die Tiefe zu schauen.
    Das allerdings änderte sich.
    Genau dort, wo die Sonne stand und durch die Öffnung schien, war plötzlich der Schatten da.
    Groß und langgestreckt, kein Tier, ein Mensch, aber nicht erkennbar, ob Mann oder Frau.
    Der Schatten bewegte sich, er senkte den Kopf. Dann hörte sie eine Stimme.
    »Da hast du aber Pech gehabt…«
    Jessica erstarrte abermals.
    Sie konnte es nicht glauben, nur gab es keinen Zweifel. Es war die Stimme einer Frau gewesen…
    ***
    Jetzt mußt du hochschauen, jetzt mußt du sie anschreien, du mußt ihr sagen, daß sie verrückt ist, daß es so nicht weitergeht. Du mußt ihr einfach klarmachen, daß…
    Nein, sie tat nichts. Sie blieb stehen, sie starrte vor sich gegen die Wand und sah auch dort die Käfer und Fliegen in langen Reihen nach unten krabbeln.
    Das konnte doch nicht wahr sein, das war verrückt, das war einfach nicht wahr.
    »Hast du mich gehört?«
    Die Stimme drang wie aus weiter Ferne an ihre Ohren. Sie konnte ihre Erstarrung nicht überwinden.
    Erst als die Unbekannte etwas aus der Höhe gegen ihren Kopf warf, einen kleinen Klumpen Erde, da blickte sie hoch.
    Die andere stand am Rand der Grube wie ein weiblicher Triumphator. Sie hatte rabenschwarzes Haar, trug eine grüne Bluse aus dickem Stoff, bei der einige Knöpfe nicht geschlossen waren, so daß viel von ihrer sonnenbraunen Haut zu sehen war. Ihre Beine steckten in einer langen braunen Lederhose, sie trug halbhohe Stiefel und hatte die Hände in die Seiten gestützt.
    Ihr Blick war kalt und berechnend, der Mund mit den vollen Lippen zusammengekniffen.
    Jessica deutete ein Nicken an. Zwei Fliegen störten die Bewegung, sie huschten von ihrem Gesicht weg. »Ja, ich habe Sie gehört. Sie haben laut und deutlich gesprochen, und ich will verdammt sein, wenn ich das gut finde, was hier geschehen ist.« Jessica freute sich darüber, daß sie schon wieder so reden konnte. Die alte Energie kehrte allmählich wieder
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