Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0720 - Teufelsnächte

0720 - Teufelsnächte

Titel: 0720 - Teufelsnächte
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
könnte tatsächlich jemand von uns sein, der sich vielleicht auf andere Weise Beistand sichern will.«
    Beinahe unbewusst zog die Reihe der Personen an ihrem geistigen Auge vorüber. Ian, Johnny, Pete, Kenneth, Rachel und sie selbst. Sie trafen sich nur einmal im Jahr, wenn die schwarzen Karten ihre Anwesenheit forderten, ansonsten mieden sie einander. Wenn Debbie von einer Wohltätigkeitsveranstaltung erfuhr, fragte sie zuerst nach, ob Ian auch eingeladen war und entschied dann über ihre Teilnahme. Sie lebten beide auf dem Land, keine fünf Meilen voneinander entfernt und hatten sich doch noch nie besucht. Auch mit den anderen sprach sie nie.
    Debbie wusste, dass es an der Schuld lag, die sie alle empfanden. Selbst jetzt, wo Rachel zum ersten Mal das ungeschriebene Tabu gebrochen und zu ihr gekommen war, konnten sie sich nicht in die Augen sehen.
    »Lass uns Ian anrufen«, sagte sie. »Er ist der Einzige, dem ich vertraue.«
    Rachel sah auf. »Er hat aber auch am meisten zu verlieren. Vielleicht will er mit den Morden Hilfe einfordern.«
    Debbie hasste sie plötzlich, verabscheute die Logik in ihren Worten. Es stimmte, dass Ian mehr zu verlieren hatte, als alle anderen zusammen. Sie dachte an die Interviews, die sie mit ihm gesehen und gehört hatte. Er schien der Erste zu sein, dem es gelang, Manchester zu verlassen.
    Wenn sie ihn ließen.
    Debbie stellte die Teetasse entschlossen ab.
    »Ich rufe ihn trotzdem an«, entschied sie.
    ***
    Zamorra benutzte die Straßenbahn -die Einzige in ganz England, wie eine alte Dame ihm glaubhaft versicherte -, um zu Lugosi's zu gelangen. Immer wieder sah er sich um, aber er konnte weder den schwarzen Rover noch einen anderen Verfolger entdecken. Entweder ließen sie ihn in Ruhe, oder sie waren so gut, dass er sie nicht bemerkte.
    Von der Haltestelle aus waren es zu Fuß noch zehn Minuten bis zu der Straße, in der laut Stadtplan der Club zu finden war. Es hatte aufgehört zu schneien und in der Dunkelheit sah Zamorra verfallene Lagerhallen und eine große Baustelle, auf der ein neues Einkaufszentrum entstehen sollte. Abgesehen von einem beleuchteten Schild war davon jedoch noch nichts zu sehen. Er drehte sich um. Die Straße schien verlassen zu sein. In einiger Entfernung hörte er die Sirene eines Polizeiwagens.
    Vorsichtig ging er weiter. Seine Instinkte warnten vor einer Falle, obwohl ihm nicht klar war, woher jemand von seinem Besuch im Club wissen konnte. Die Informationen stammten aus der Zeitschau, und er hatte mit niemandem außer Nicole darüber gesprochen.
    Und wenn sie das Telefon abhören?, schoss es ihm durch den Kopf. Er dachte an den schwarzen Rover vor dem Hotel. Irgendjemand ließ ihn beobachten, also war es nicht unwahrscheinlich, dass man ihn auch abhörte.
    Verdammt, dachte er. Darüber hät-
    te ich vor dem Gespräch mit Nicole nachdenken sollen. Jetzt ist es zu spät.
    Vor ihm machte die Straße einen Knick. Dahinter leuchteten die Buchstaben Lugosi's in einem geschwungenen Schriftzug an der Wand eines Gebäudes, das wie eine ehemalige Lagerhalle aussah. Die Tür war geschlossen und Zamorra bemerkte eine Kamera, die direkt daneben in einem Käfig hing. Er nahm an, dass man den Club nur betreten konnte, wenn man die Gesichtskontrolle bestand. Anscheinend drängte sich aber kaum jemand um diese Ehre, denn der Eingangsbereich war ruhig und verlassen.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, überkam Zamorra so plötzlich, dass er zusammenzuckte. Unwillkürlich griff er nach dem Amulett unter seiner dicken Winterjacke und zog es hervor. Der Atem stand wie eine weiße Wolke vor seinem Gesicht.
    Langsam drehte er sich. Es war immer noch niemand zu sehen, aber das Gefühl war so stark, dass er sich nicht täuschen konnte. Er wünschte, er hätte einen Blaster bei sich gehabt, aber die Strahlwaffe wäre spätestens bei der Gepäckdurchleuchtung dem Sicherheitsdienst zum Opfer gefallen.
    Der Schlag fegte ihn von den Beinen.
    Zamorra schlitterte über den nassen Asphalt und prallte mit dem Rücken gegen einen Bauzaun. Er schüttelte den Kopf, kam benommen auf die Beine. Im nächsten Moment wurde er hochgerissen, als hielte ihn die Faust eines unsichtbaren Riesen umschlungen. Haarscharf flog er an einer Baggerschaufel vorbei. Zamorra riss schützend die Arme hoch und schlug zwischen gestapelten Eisenträgern auf den halb gefrorenen Boden.
    Einen Moment lang konnte er nicht atmen, krümmte sich nur hustend zusammen und wartete auf den nächsten Schlag.
    Ein Teil von ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher