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0714 - Kinder der SOL

Titel: 0714 - Kinder der SOL
Autoren: Unbekannt
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Verstand noch immer damit beschäftigt war, das zu verarbeiten, was er kurz vor seinem Sturz entdeckt hatte - oder entdeckt zu haben glaubte.
    Es war eine Hand gewesen, eine kleine hellblaue Hand, die sich sekundenlang aus dem weißen Gischt des Wasserfalls gestreckt hatte, und es hatte ausgesehen, als hätte die Hand ihm, Dr. Katus Hershan, zugewinkt.
    „Unglaublich!" flüsterte Katus - dann wurde er vom Gischt umfangen und fühlte sich dem Tode so nahe wie niemals zuvor.
    Als der Tod dann kam - oder vielmehr das, was er für seinen Tod hielt -, erlebte Katus Hershan eine neue Überraschung. Er fühlte sich nämlich übergangslos in ein Schattenreich gestürzt, dessen Existenz ihm ebenso unglaubhaft erschien wie kurz zuvor das Auftauchen einer hellblauen Hand aus dem Wasserfall.
    Während er noch überlegte, ob es eine Art Totenreich war, in das alle Gestorbenen eingingen, nahm er aus den Augenwinkeln zwei kleine Gestalten wahr, die ebenso schemenhaft wirkten wie die gesamte alptraumhafte Umgebung.
    Diese beiden menschenähnlichen Gestalten ergriffen seine Hände - er konnte es spüren und sehen - und führten ihn.
    Engel? durchzuckte ein irrationaler Geistesblitz sein Gehirn.
    Selbstverständlich hatte Dr. Katus Hershan niemals an die Märchen von Engeln, Teufeln und Hexen geglaubt, die oft Bestandteile der Witze älterer Stadtbewohner gewesen waren.
    Unwillkürlich blickte er an den beiden Gestalten herab und versuchte, so etwas wie Flügel zu entdecken. Er atmete auf, als er nichts dergleichen sah.
    Dennoch hatten nicht nur die Umgebung, sondern alles, was sich in ihr abspielte, etwas Gespenstisches, Unwirkliches, an dem Dr. Hershan nichts fand, was ihn an die gewohnte Realität erinnerte.
    Er fragte sich, ob es aus diesem unheimlichen Schattenreich eine Rückkehr in die vertraute Realität geben würde, ob er jemals in die Stadt zurückkehren konnte und in ihr die Odyssee durch das Universum mitmachen würde, die die Stadt SOL auf den Planeten Last Stop im Randgebiet einer kugelförmigen Kleingalaxis verschlagen hatte.
    Es war eine lange Odyssee gewesen, obwohl Katus Hershan sie niemals als Irrfahrt empfunden hatte. Im Unterschied zu den Menschen, die vor dem Aufbruch zur Großen Fahrt an Bord gekommen waren, kannte Hershan die Erde nicht aus eigener Anschauung. Alles, was er bisher darüber gehört hatte, war nur dazu geeignet gewesen, sie als eine Welt zu betrachten, wie es sie zu Tausenden oder gar Millionen gab, ein natürliches Raumschiff, dessen Leben sich im Unterschied zur SOL auf der Erdoberfläche abspielte und das viel zu groß war, als daß man sich darauf wirklich wohl fühlen konnte.
    Dennoch schienen viele der Älteren eine unlogische Sehnsucht nach dieser Erde zu empfinden, obwohl sie es auf einem Himmelskörper, dessen Bahn in ewiger Monotonie um einen einzigen Stern herumführte, der sich so langsam bewegte, daß sein Planetensystem niemals andere Planetensysteme erreichen konnte.
    Katus Hershan wurde unsanft aus diesen Überlegungen gerissen, als er plötzlich strauchelte und bemerkte, daß die beiden kleinen Begleiter ihn losgelassen hatten.
    Er blickte sich um, dann lachte er unmotiviert - denn die Umgebung, in der er sich plötzlich befand, war nicht mehr jenes Schattenreich, sondern eindeutig das große Solarium im Stadtzentrum - beziehungsweise im Mittelteil der SOL.
    Sein Lachen brach jedoch schlagartig ab, als Katus die Nässe seines Schutzanzugs bemerkte. Da es im Solarium niemals regnete, konnte er folglich sein Erlebnis am Wasserfall und im Schattenreich nicht geträumt haben. Er mußte tatsächlich abgestürzt und vom Gischt des Katarakts verschlungen worden sein.
    Doch wie war er anschließend ins Solarium gekommen?
    Er war noch immer mit diesem Problem beschäftigt und hatte noch keine Lösung gefunden, als eine weiche, dunkle Stimme ihn von der Seite ansprach.
    Katus Hershan nahm die Worte nicht bewußt auf. Er wandte sich um und erkannte Professor Dr. Jawalia Minshan, die Chefpsychologin der SOL, eine äußerst attraktive zierlich wirkende Frau mit samtbrauner Haut, schwarzem Haar und schwarzen mandelförmigen Augen.
    „Hallo, Professor!" sagte Dr. Hershan verwirrt.
    Jawalia Minshan blickte ihn prüfend an.
    „Hallo, Dr. Hershan!" erwiderte sie. „Haben Sie mit Ihrem Schutzanzug gebadet?"
    Katus Hershan lächelte verlegen.
    „So ungefähr, Professor", antwortete er. „Ich war in den Großen Katarakt gestürzt, ertrunken und wachte hier wieder auf. Seltsam, nicht
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