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0700 - Aphilie

Titel: 0700 - Aphilie
Autoren: Unbekannt
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Menschheit Personen zu überlassen, die von Emotionen beherrscht werden. Nur die reine Vernunft vermag, diese gewaltige Aufgabe zum Nutzen der Menschen zu versehen und zu bewältigen."
    Am Abend des 4. Juli 3540 allgemeiner Zeitrechnung zeigte sich das neue Staatsoberhaupt den Menschen: Staatsmarschall Bull, der von den Bildschirmen herab als erstes verkündete, er habe den Titel Staatsmarschall abgelegt, da es ihn nicht mehr gebe. Als Vorsitzender des Regierungsrates trage er jetzt den Titel „Licht der Vernunft".
    Als nächstes erklärte er auch den alten Kalender für abgeschafft.
    „Die Anhänglichkeit an die alte Zeitrechnung ist sentimental und daher nutzlos, wenn nicht sogar schädlich", erklärte das Licht der Vernunft mit ernster Stimme, jedoch ohne jegliche Erregung. „Sie ist ebenso unnütz wie die schwärmerische Sehnsucht nach jener Sonne, um die dieser Planet sich bis vor achtzig Jahren bewegt hat. Wir alle müssen beides in uns bekämpfen: die Sehnsucht nach der alten Sonne und die lächerliche, unlogische Anhänglichkeit an eine veraltete Zeitrechnung. Heute ist der siebte Mai des Jahres dreiundneunzig, und von nun an wird ausschließlich nach dem neuen Kalender gerechnet, der in Gang gesetzt wurde, als unser Planet um die neue, vernunftspendende Sonne zu kreisen begann."
    Späteren Generationen blieb es vorbehalten, den Lapsus in diesen Worten des Lichtes der Vernunft zu entdecken. „Jede Sonne, um die dieser Planet sich bis vor achtzig Jahren bewegt hat" - das waren Standardjahre, Jahre eben jener alten Zeitrechnung, die Reginald Bull in seinem nächsten Satz verdammte und für abgeschafft erklärte.
    Er sprach lange. Er sprach mit jener gefühlslosen Klarheit, in der bereits vierzig Prozent der Menschen ihre eigene Denk- und Empfindungsweise wiedererkannten. Der Rest der Menschheit jedoch staunte. Wo war Bully geblieben, der Wetterer, der kein Blatt vor den Mund nahm, der Eiferer für Gerechtigkeit und die Rechte des kleinen Mannes? Er schien ein anderer geworden zu sein, fast eine Art Maschine.
    Erst zum Schluß seiner mehrstündigen Ansprache kam er auf die Dinge zu sprechen, die die noch nicht von der Aphilie befallenen Menschen am meisten bewegte.
    „Die Mitglieder der bisherigen Administration sind unter Arrest gestellt worden", verkündete er mit einer Leidenschaftslosigkeit, der niemand anmerken konnte, daß einer der Leute, von denen er sprach, durch nahezu sechzehn Jahrhunderte hindurch sein engster Freund gewesen war. „Es besteht der ernsthafte Verdacht, daß diese dekadente Regierung, die durch die reine Vernunft vom Platz gefegt worden ist, wiederholt gegen die Interessen des Volkes verstoßen hat. Die Leitsätze dieser Regierung wurden von Gefühlsduselei und Vorurteilen geprägt.
    Sollte sich dieser Verdacht bewahrheiten, woran ich in diesem Augenblick nicht zweifeln kann, dann wird der Volksrat sich nicht scheuen, das einzige Urteil zu fällen, das den Verbrechen dieser Verblendeten gerecht wird, nämlich sie vom Leben zum Tode zu befördern."
     
    *
     
    Es stellte sich bald heraus, daß das Licht der Vernunft diese letzte Bemerkung besser unterlassen hätte. Er und seine Computer hatten die Einstellung des noch nicht von der Aphilie ergriffenen Teiles der Menschheit falsch eingeschätzt. Es hatte, besonders in den ersten Jahren nach der unseligen Flucht aus dem heimatlichen Sonnensystem, viele Stimmen gegeben, die Perry Rhodan verfluchten und ihn für das Mißgeschick der Menschheit verantwortlich machten. Aber jene Jahre der Unzufriedenheit waren vorbei, und unter denen, die die Fähigkeit, Nächstenliebe und Gefühle zu empfinden, noch nicht verloren hatten, gab es keinerlei Verständnis für die Idee, daß Rhodan und seine Mitarbeiter sterben sollten.
    Schon wenige Stunden nach Reginald Bulls Fernsehansprache machte sich auf der Erde die Unruhe breit. Von den Sicherheitsorganen der neuen Regierung, die zwar erst vor wenigen Stunden ihre Arbeit angetreten hatten, aber voll und ganz Herren der Lage waren, wurden Bürgerzusammenrottungen, Demonstrationen und Protestversammlungen gemeldet.
    In Terrania-City verbrachte man die Nacht damit, den ständig zahlreicher einlaufenden Meldungen zu lauschen. Am nächsten Morgen war klar, daß die Drohung des Lichtes der Vernunft, Perry Rhodan und seine Anhänger mit dem Tode zu bestrafen, die noch nicht von der Aphilie erfaßte Menschheit so in Aufruhr gebracht hatte, daß der Erfolg der Revolution ernsthaft in Frage gestellt
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