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0700 - Aphilie

Titel: 0700 - Aphilie
Autoren: Unbekannt
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Augen sah, war es schon zu spät. Einer der Umstehenden fuhr herum und fragte mit drohender Stimme: „Wer hat da gelacht?"
    Ein kleines, altes Männchen, das unmittelbar neben Sergio stand, war mit der Antwort gleich bei der Hand. Es streckte den Arm aus und deutete auf Sergios hochgewachsene, hagere Gestalt. Mit schriller Stimme verkündete es: „Der da war es! Ich habe es deutlich gehört!"
    Der Frager, ein grobschlächtiger Asiate, drängte die Umstehenden beiseite und kam auf Sergio zu.
    „Du hast gelacht? Und warum, Bruder?"
    Sergio hatte, als ihm die Gefahr offenbar wurde, in der er schwebte, die Miene aufgesetzt, die Sylvia und er in ihrem privaten Sprachgebrauch „das Standardgesicht" nannten: ernst und ausdruckslos.
    „Selbst wenn ich gelacht hätte", antwortete er mit flacher Stimme, „ginge es dich nichts an, Bruder. Die Wahrheit ist jedoch, daß ich nicht gelacht habe. Ich habe mich verschluckt und gehustet. Und nun, Bruder, laß mich in Ruhe!"
    War es die korrekte Antwort, war es Sergio Percellars zwingender Blick - kurzum, der Bullige wandte sich ab. Noch eine halbe Minute verging, dann flüsterte Sylvia: „Hier müssen wir absteigen!"
    Sie verließen das Band und mischten sich unter die Menge, die sich abseits der Rollbandstraßen über den Gehsteig schob.
     
    *
     
    Die Straßen und Gassen der Fußgängerzone waren voll von Menschen. Es war, als triebe die Aphilie die Menschen aus ihren Wohnungen, damit sie einander ständig nahe seien, obwohl sie sich nichts zu sagen hatten. Es war ein buntes Völkergemisch, das Sergio und Sylvia umgab, Menschen von allen Zonen der Erde, Marsgeborene und Siedler von den Kolonialwelten des ehemaligen Solaren Imperiums. Was sie alle in Bangkok zu suchen hatten, war Sergio schleierhaft. Sie alle starrten mit teilnahmslosem Blick geradeaus - auch dann, wenn sie sich miteinander unterhielten, was stets mit ruhiger Stimme geschah.
    Er haßte den leeren Ausdruck ihrer Gesichter, und es kostete ihn Mühe, seinen Abscheu nicht deutlich zu zeigen.
    Und noch eine Gruppe von Wesen gab es inmitten des Gedränges, das die Innenstadt von Bangkok erfüllte: gelbbraun Uniformierte, die sich durch die Menschenmenge schoben und ihre Augen überall hatten. Die Gelbbraunen waren Roboter, die Aufpasser der neuen Machthaber. Sie hatten darauf zu achten, daß das Gesetz nicht verletzt wurde. Und wenn sie eine Verletzung beobachteten, dann hatten sie dafür zu sorgen, daß der Schuldige sofort bestraft wurde.
    Die Menschen nannten sie nach ihrer Typenbezeichnung: K-2.
    Ka-zwo, das war ein gefürchtetes Wort, denn die Ka-zwos waren erbarmungslos. Jede noch so kleine Verfehlung wurde scharf geahndet, und es gab keine geringere Strafe als einen Schlag auf die Schulter, mit einer Energie von zwanzig Newtonmeter.
    Das aber war eine Strafe, unter der schon manches Schlüsselbein den Dienst aufgesagt hatte. Um Ka-zwos machten die Menschen einen Bogen.
    Für Sergio Percellar aber - und ebenso für Sylvia Demmister - waren die Ka-zwos die Personifikation der Häßlichkeit dieser Welt. Sergio haßte die Roboter mit einer Inbrunst, die fast schon nicht mehr menschlich war. Sollte ihn jemals einer nach der Leistung fragen, auf die er am stolzesten war, dann hätte er ohne Zweifel darauf geantwortet, er habe bereits zweiundzwanzig Kazwos „beiseite geschafft".
    Er folgte Sylvia in eine schmale Seitengasse, die von schmalen, alten Fassaden begrenzt wurde. Sylvia liebte diesen Teil der Stadt, und in einem der Häuser kannte sie ein kleines Eßlokal, von dem sie Sergio schon lange vorgeschwärmt hatte, noch bevor sie nach Bangkok gekommen waren. Es bestand aus einem einzigen langen, schmalen Raum, auf dem man so viele Tische und Stühle wie möglich zusammengepfercht hatte. Das Restaurant war etwa zu drei Vierteln besetzt, als Sylvia und Sergio eintraten. An der rückwärtigen Wand gab es eine Reihe glitzernder Speise- und Getränkeautomaten. Eine Schlange von Menschen hatte sich davor gebildet, und die Schlange bewegte sich nur langsam, da die Automaten eine erstaunlich große Auswahl boten und die Leute Mühe hatten, sich zu entscheiden. Über der Reihe der Automaten und noch einmal über dem Eingang hing je ein kleines Aufnahmegerät, das die Vorgänge im Restaurant aufzeichnete. Denn das war das hervorstechendste Merkmal der aphilen Gesellschaft: daß sie ihre Mitglieder dauernd bewachte.
    Sylvia und Sergio stellten sich an. Sergio zog ein paar Münzplaketten aus der Tasche und überlegte, wie
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