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0691 - Schwester der Nacht

0691 - Schwester der Nacht

Titel: 0691 - Schwester der Nacht
Autoren: Martin Barkawitz
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und nach vorne auf die Hände fiel. Es war so ungewohnt, wieder einen Körper zu haben.
    Einige Passanten machten Bemerkungen über Besoffene, die am Nachmittag schon blau wären. Zamorra raffte sich wieder auf und säuberte seine Handflächen mit dem Taschentuch.
    In diesem Moment trat Nicole Duval aus einer der Trend-Boutiquen. Suchend blickte sie sich um. Dann entdeckte sie ihren Lebensgefährten und Chef, der ungefähr hundert Meter von ihr entfernt stand.
    Strahlend kam sie auf ihn zu.
    Die Dämonenjägerin trug einen dreiviertellangen Flanellrock, halbhohe Stiefelchen, einen wollweißen Pullover und eine elegant geschnittene Tweedjacke im Landhaus-Look. Um ihren Hals hatte sie einen roten Schal drapiert. Und natürlich war sie schwer beladen mit neuen Klamotten für ihren überquellenden Kleiderschrank.
    Doch Nicole Duval war beileibe kein naives Modepüppchen.
    Während sie sich Zamorra näherte, bemerkte sie, dass etwas vorgefallen war.
    Gleich darauf stand sie vor ihm und schaute zu ihm auf. »Was ist geschehen, Cherie?«
    »Wir müssen ins Jahr 1869 zurückreisen, um eine Machtübernahme der Vampire zu verhindern.«
    Die Dämonenjägerin nahm die Nachricht gelassen auf.
    »Heute noch oder morgen?«
    ***
    Später lagen sie im Hotel nackt aneinander geschmiegt auf dem breiten Bett, entspannt und etwas erschöpft nach dem leidenschaftlichen Liebesspiel. Zamorra spielte versonnen mit einer Haarsträhne seiner Lebensgefährtin und betrachtete ihren perfekt geformten Körper.
    Es war immer wieder aufs Neue ein wundervolles Erlebnis, das gegenseitige Geben und Nehmen von Liebe und Lust. Und es half, die unangenehmen Dinge des Lebens wenigstens für kurze Zeit zu verdrängen. Die tödlichen Bedrohungen, die mörderischen Abenteuer in fremden Welten und Zeiten. Erst vor ein paar Wochen waren sie beide in der Zentaurenwelt gestorben - immer und immer wieder, um jedesmal danach feststellen zu müssen, dass ihr Sterben nur eine Illusion gewesen war. Das machte die Schreckenserlebnisse auch in der Erinnerung nicht harmloser, und sie beide, dem Tod einige Male zu oft viel zu nahe gewesen, genossen jede Sekunde des Lebens, kosteten sie aus, wo immer es ging. [1]
    Nach einer Weile entspannender Ruhe berichtete er Nicole ausführlich von dem Wunsch des Geister-Geheimbundes.
    »Und wenn das Ganze nun eine Falle ist, Cherie?«, warnte sie.
    »Das Risiko muss ich eingehen.«
    »Du meinst wohl: wir. Oder hast du geglaubt, ich würde dich allein gehen lassen?«
    Zamorra lächelte. Davon war er wirklich nicht ausgegangen.
    Nicole Duval hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Nachdenklich blickte sie zur Zimmerdecke. »Ich frage mich nur, was das soll. Napoleon III. war doch so ein Operettenkaiser, wenn ich mich richtig erinnere. Warum wollen die Vampire ihn ausgerechnet 1869 beiseite schaffen?«
    Zamorra zuckte mit den Schultern.
    »Dazu haben die Geister nichts gesagt. Es ist immer schwer, die Motive von schwarzmagischen Kreaturen zu durchschauen. Die Schlüsselfigur ist jedenfalls diese Vivien Lafayette.«
    »Wann geht unsere Reise los, Chef?«
    »Sobald wir Merlins Zeitring geholt haben. Am besten gleich morgen, spätestens übermorgen, je nachdem, wie lange wir für die Vorbereitungen brauchen, Nicole.«
    »Und von wo starten wir?«
    Darüber hatte Zamorra schon länger nachgedacht. Paris hatte sich in den vergangenen 150 Jahren rasant verändert. Bei seinen Zeitreisen kam Zamorra in der Vergangenheit immer genau an dem Punkt an, von dem er auch in der Gegenwart gestartet war. Am besten wäre also eine Umgebung, die auch im Jahre 1869 nicht viel anders gewesen war als im Jahre 2000.
    »Wir reisen von einem Platz aus, der sich gut für die Vampirjagd eignet, Nicole. Von Père-Lachaise.«
    ***
    Vivien Lafayette war eine Dämonin von teuflischer Intelligenz.
    Die Schwester der Nacht saß in einer Droschke, die von einem weiteren Blutsauger gelenkt wurde. Die Karosse holperte über das Kopfsteinpflaster des nächtlichen Paris.
    Noch hatten sich die Bewohner der französischen Hauptstadt nicht richtig an die neue Gasbeleuchtung gewöhnt. Besonders die Boulevards der Innenstadt erstrahlten in fast taghellem Glanz.
    Das gefiel der Vampirin natürlich überhaupt nicht. Sie liebte die Nacht, das Dunkle, das Tote. Aber auch diese Gasbeleuchtung würde den Menschen nichts nützen in ihrem Kampf gegen die Kräfte der Hölle.
    Wenn erst der Vampirkaiser auf dem Thron saß, würde die Straßenbeleuchtung sofort abgeschafft werden.
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