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0691 - Schwester der Nacht

0691 - Schwester der Nacht

Titel: 0691 - Schwester der Nacht
Autoren: Martin Barkawitz
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Moment sogar, dass die Polizei kommen würde. Dass irgendjemand erschien, um ihm gegen diese unheimliche Blutsaugerin zu helfen.
    Doch Eduard war allein.
    Nur der blasse Mondschein beleuchtete die Silouette der Totenstadt, die Père-Lachaise genannt wurde. Der junge Verbrecher rannte, wie er noch nie gerannt war. Hin und wieder wandte er den Kopf, um hinter sich zu schauen.
    Noch wurde er nicht verfolgt. Diese… diese Kreatur war vollauf damit beschäftigt, seinen Freund leerzusaugen. Vielleicht war Jeans Tod eine Chance für ihn, Eduard, zu entkommen…
    Da vernahm er das Flügelschlagen.
    Der Apache stolperte weiter vorwärts. Die riesige Fledermaus verdunkelte für einen Moment den Mond. Dann stieß sie auf ihn herab.
    Eduard spürte, wie ihre Krallen in seine Nackenmuskeln eindrangen. Panisch schlug er mit beiden Armen um sich. Aber der schwarze Blutsauger ließ nicht los. Sein entsetzliches Kreischen gellte in Eduards Ohren.
    Und dann geschah es.
    Er stolperte über den Rand einer Grabstelle. Der junge Apache knallte der Länge nach auf den Boden.
    Die Fledermaus ließ von ihm ab. Eduard hatte schwere Wunden an Hals und Nacken. Das Blut sickerte in seinen geringelten Pullover. Doch er kam wieder auf die Beine.
    Das widerliche Vieh war verschwunden. Er hatte noch eine Chance! Er…
    Im nächsten Moment bemerkte er seinen Irrtum.
    Als er weiterlaufen wollte, stand plötzlich die elegante Demoiselle vor ihm. So, als wäre sie aus dem Erdboden gewachsen. Sie grinste ihn Unheil verkündend an. Aus ihren Mundwinkeln floss Jeans Blut.
    »Bitte… bitte nicht…«, stammelte der Apache, der selbst so viele Menschen ausgeraubt, schwer verwundet oder sogar getötet hatte.
    Die Blutsaugerin lachte nur.
    »Wie ungalant Ihr seid, Monsieur! Euer Freund hat mich mit Freuden geküsst. Und Ihr? Wollt ihr euch um dieses extravagante Vergnügen bringen?«
    Wie durch Zauberschlag war plötzlich das Klappmesser in Eduards Hand. Obwohl der Apache vor Angst fast krepierte, machte er sich zur Verteidigung bereit. Er war mit dem Messer in den Fingern aufgewachsen, ein echtes Kind der düsteren Gassen von Montmartre.
    Die Vampirin lachte schallend, als sie die Waffe sah.
    Mit einer beiläufigen Bewegung schlug sie Eduard das Messer weg. Klirrend flog es gegen einen Grabstein und blieb dann irgendwo in der Dunkelheit liegen, unerreichbar für seinen Besitzer.
    Eduard konnte sich nicht mehr wehren. Sein Todesschrei verstummte, als die Fangzähne der Vampirin seine Halsschlagader zerfetzten. Die Schwester der Nacht trank sein Blut, bis kein Tropfen mehr in seinem sterbenden Körper war.
    Achtlos ließ die Vampirin die leere Hülle des einstigen Apachen zu Boden gleiten.
    Die Fledermaus, die sich während des kurzen Kampfes auf einen nahen Grabstein zurückgezogen hatte, nahm wieder auf der Schulter ihrer Herrin Platz.
    Die Vampirin wandte sich ihr zu.
    »Dieses Blut habe ich gebraucht, Eliphas! Zugegeben, diese beiden Galgenvögel sind nicht gerade erste Wahl. Doch sie haben jetzt meinen Keim in sich und werden meine treuen Diener sein. Ich habe so eine Vorahnung, Eliphas.«
    Die Fledermaus blickte die Vampirin neugierig an.
    »Diese beiden Apachen«, fuhr die elegante Blutsaugerin träumerisch fort, »werden uns noch gute Dienste leisten bei unserer großen Aufgabe.«
    Wieder machte sie eine Kunstpause, wobei sie andächtig den Mond anstarrte.
    »Den Kaiser der Vampire auf Frankreichs Thron zu bringen.«
    ***
    Herbst 2000, Rue du Faubourg-St. Honoré, Paris
    Zamorra fror.
    Es war zu kühl für die Jahreszeit. Der Parapsychologe hatte die Hände tief in die Taschen seiner knielangen Wetterjacke vergraben. Er ging zwischen der Ecke der Avenue Franklin D. Roosevelt und der Avenue Friedman langsam auf und ab. Dabei vertrieb er sich die Zeit damit, die anderen Passanten anzuschauen.
    Ein kalter Wind fegte über die Boulevards. Zamorra vertrat sich hier die Füße, weil er nicht länger in überheizten Boutiquen herumstehen wollte. Er hatte sich bereit erklärt, seine Lebensund Kampfgefährtin und Sekretärin Nicole Duval auf ihrem Einkaufsbummel zu begleiten.
    An ihren Modetick hatte er sich im Laufe der Jahre gewöhnt. Aber es gefiel ihm nicht, sich ständig zwischen Klamottenstapeln die Beine in den Bauch stehen zu müssen. Und dass er nebenbei immer wieder gefragt wurde, ob ihm dieses oder jenes Kleid besser gefiele, begeisterte ihn auch nicht gerade.
    Außerdem musste der Parapsychologe am Abend an der Académie française einen Vortrag
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