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0691 - Schwester der Nacht

0691 - Schwester der Nacht

Titel: 0691 - Schwester der Nacht
Autoren: Martin Barkawitz
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ließ ein paar Flüche hören, die selbst eine hartgesottene Prostituierte hätten erröten lassen.
    »Hier ist es nicht geheuer, Jean«, sagte Eduard. Er konnte das Zittern seiner Stimme nicht mehr unterdrücken. »Lass' uns abhauen!«
    »Wegen so einem Drecksvieh?«, knurrte Jean. »Die schneide ich in Stück… he, was ist das?«
    Die beiden Apachen erblickten zunächst nur einen hellen Schimmer. Jean hob die Blendlaterne auf, die sein Freund fallen gelassen hatte. Er hielt sie in die Richtung der Erscheinung.
    Eine schöne junge Frau stand vor ihnen!
    Ihre schlanke Gestalt wurde von einem bodenlangen weißen Kleid umspielt. Ein goldener Gürtel betonte ihre schlanken Hüften. Das volle braune Haar fiel locker herab, war nicht in eine ordentliche Frisur gepresst worden.
    Und die riesige Fledermaus saß auf der Schulter der Schönen!
    Jean und Eduard stockte der Atem. Was Frauen anging, so waren die beiden Kerle abgebrüht und ausgebufft. Und das, obwohl keiner von ihnen älterwar als zwanzig Jahre. Doch an der Place Pigalle machte man früh seine Erfahrungen. Und wer nicht clever genug war, endete mit einer Messerklinge im Rücken.
    Doch so eine Frau hatte noch keiner von ihnen im Bett gehabt. Es musste ein Bürgertöchterchen aus den reichen Vierteln sein. Aber was trieb ein solches Geschöpf nachts auf dem Père-Lachaise? Und warum saß diese widerwärtige Fledermaus so zutraulich auf ihrer Schulter?
    Eduard rutschte das Herz in die Hosen. Doch in Jeans Augen glomm es lüstern auf.
    »Euer verfluchtes Schoßtier hat mich verletzt, Mademoiselle«, sagte er. »Ich fordere Schadenersatz!«
    »Wirklich?« Die Stimme der Frau war eiskalt. Eduard wäre am liebsten weggelaufen. Aber er konnte nicht. »Und was habt Ihr euch vorgestellt, Monsieur?«
    »Einen Kuss. Mindestens.«
    Jean ließ sein Klappmesser wieder in der Tasche verschwinden und trat breitbeinig auf die Frau zu. Von der Seite warf Eduard seinem Freund einen Blick zu. Der Apache wollte Jean warnen. Aber seine Kehle war ausgetrocknet, als ob er seit Wochen keinen Rotwein mehr getrunken hätte.
    Jean näherte sich der jungen Frau. Die Blendlaterne baumelte lässig in seiner herabhängenden linken Hand. Nun verschwanden plötzlich die Wolkenbänke am Nachthimmel. Riesig erschien der Vollmond direkt hinter der brünetten Schönheit mit den unergründlichen Augen.
    »Wollt Ihr euren Kuss sofort, Monsieur?«, fragte die elegante Dame mit einschmeichelnder Stimme. Aber für Eduard klang es, als ob ein Totenglöckchen geläutet wurde.
    Jean nickte. Er war jetzt auf Armeslänge von der Frau entfernt. Seinen Gesichtsausdruck konnte Eduard nicht sehen, weil sein Freund ihm nun den Rücken zukehrte. Aber er kannte Jean wie seinen eigenen Bruder.
    Der Apache würde lüstern glotzen beim Gedanken, dieses Bürgertöchterchen zu vernaschen. Denn natürlich würde es nicht bei einem Kuss bleiben.
    Doch nun schossen plötzlich die Arme der Frau nach vorn!
    Obwohl Eduard zehn Schritte hinter Jean stand und es ziemlich dunkel war, erkannte er plötzlich die Fangzähne im aufgerissenen Mund der Schönen!
    Eduard wollte seinem Freund noch eine Warnung zurufen.
    Aber es war zu spät.
    Obwohl Jean ein ausgekochter Schläger war und sich nun gegen die Umarmung wehrte, hatte er keine Chance gegen die Frau in dem unschuldig weißen Kleid.
    Wie eine Puppe aus einem der neuen Kaufhäuser an den Champs-Élysées packte sie den Apachen und zog ihn an sich.
    Jean rammte seine Faust in ihre Rippen. Sie schien es nicht zu spüren. Die Frau versenkte ihre Fangzähne in Jeans Halsschlagader. Der Verbrecher schrie wie am Spieß. Und plötzlich hatte er wieder sein Schnappmesser in der Hand!
    Das Messer, an dem immer noch das Blut des Bürgers klebte, wurde in den schlanken Leib der Frau gestoßen. Mehr als einmal gelang das Jean nicht.
    Denn erstens konnte auch die Messerklinge der Vampirin nichts anhaben. Und zweitens saugte sie weiter an ihm, nachdem sie nur einmal kurz abgesetzt hatte. So, als wolle sie zunächst nur den schlimmsten Durst stillen.
    Mit einem entsetzlich lauten Geräusch schlürfte die Blutsaugerin den Lebenssaft aus dem Apachen.
    Angewidert starrte Eduard auf die Szene. Die zu Boden gefallene Blendlaterne und der Mondschein erhellten mehr, als er sehen wollte. Endlich konnte der entsetzte Verbrecher seine Starre überwinden.
    Er drehte sich auf dem Absatz um und jagte schreiend davon. Es war ihm egal, ob er die Flics auf sich aufmerksam machte. Er wünschte sich in diesem
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