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0688 - Der Kult

0688 - Der Kult

Titel: 0688 - Der Kult
Autoren: Jason Dark
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griff und ihn zuzog. Jetzt konnte niemand mehr durch diese Scheibe schauen und ihn beobachten.
    Es war wichtig, daß er nicht gesehen wurde, denn was folgte, ging nur ihn etwas an. Ihn, den Alten, den Älteren, den Mann, der alles richten konnte.
    Im Zimmer war es nicht nur dunkel, auch stickig. Es roch nach Tabak und Gewürzen. Eine besondere Luft, geheimnisvoll, wissend, als wäre ihr eingeimpft worden, was alles noch geschehen konnte.
    Der alte Mann wußte genau, wie es weiterzugehen hatte. Er ging durch den Raum und setzte sich in seinen Lehnstuhl. Beide Arme legte er auf die Lehnen rechts und links, atmete schnaufend. Dabei drehte er den Kopf, damit er in den Spiegel an der Wand schauen konnte. Er war da, um die Dämonen abzuhalten, aber er hatte es nicht geschafft. Der Dämon war da und war durch den Spiegel nicht irritiert worden, wie es die alten Botschaften erzählten.
    Er sah sich selbst im Spiegel.
    Das Gesicht eines alten Mannes mit dem Namen Bogan Kulani. Er war der älteste aus der Sippe, er war der Mann mit den weißen Haaren, den trüben Augen, den tiefen Falten in der Haut, aber noch immer mit einer Energie versehen, die ihn zur Führung prädestinierte.
    Aber Führen hieß auch gefordert sein. Und er war in dieser Zeit gefordert. Er mußte Verantwortung übernehmen. Bogan Kulani hatte gedacht, daß es vorbei sein würde, daß mit dem Verlassen der Insel auch die erste Existenz zurückgelassen wurde.
    Er hatte sich geirrt. Es gab eben Dinge im Leben eines Menschen, die so prägnant waren, daß sie einen Menschen bis zu seinem Tod nicht losließen.
    Daran hatte er sich nie gewöhnen wollen, nun sah Bogan Kulani ein, daß es unmöglich war, dem Schicksal zu entrinnen. Es war immer stärker als der Mensch.
    Er hatte seine Familie zusammengehalten. Eigentlich war keiner entwischt, bis auf Fahran. Ihn hatte er nicht halten können, er war den bösen Träumen erlegen, und er hatte als erster dafür büßen müssen. Vielleicht hätte Bogan ihn retten können, aber Fahran war verschwunden. Kontakt zur Familie besaß er nicht. Von Freunden wußte der alte Mann, daß Fahran ihn sogar verachtete oder totschwieg.
    Bogan hatte zuerst stark darunter gelitten. Wochenlang war er krank gewesen und hatte im Bett gelegen, nur gepflegt von seiner Frau, die kurz darauf gestorben war.
    Und so regierte er die Familie allein. Er war streng, er war gütig, aber er war unnachgiebig, wenn es galt, die Regeln einzuhalten, die aus der Heimat stammten.
    Kulani senkte den Blick und schaute auf seine Hände. Sie zeigten tatsächlich die Spuren des Alters und sahen aus wie Gestrüpp. Die Finger erinnerten ihn manchmal an Knochen, über die eine sehr dünne Haut gezogen worden war.
    Die Nägel besaßen die Form eines Vierecks. Die Haut zeigte kleine Risse und Falten. Diese Hände hatten gearbeitet, gestreichelt und auch bestraft, und sie würden jetzt etwas tun, vor dem sich Bogan zeit seines langen Lebens gefürchtet hatte.
    Der Kult war erschienen!
    Der Grausame, der Tod, der Wayang-Kult, über den in Java nur flüsternd gesprochen wurde.
    Ein mörderischer, ein menschenverachtender Zauber, den auf Java schon die kleinen Kinder kannten, denn sie wurden in den alten Geschichten und Märchen damit konfrontiert.
    Sie erlebten ihn, wenn sie die Puppentheater besuchten, wo die Figuren aus der Mythologie entstanden und ihnen all die Dinge vorgespielt wurden, vor denen sie sich fürchten konnten.
    Der Wayang-Kult war grenzenlos, er hatte auch in London zugeschlagen.
    Der alte Mann wußte, daß sein Sohn Fahran nicht mehr lebte. Man hatte es ihm gesagt und man hatte ihm auch erklärt, wie er sein Leben verloren hatte.
    Da war es für ihn klar gewesen, daß die Zeit der Entscheidung bevorstand. Es mußte zum großen Kampf kommen. Zauber gegen Zauber, Böse gegen Böse.
    Er räusperte sich. In seiner Kehle klebte der Schleim fest. Er spürte den Druck in den Augen, und seine rechte Hand fuhr zitternd in die Jackentasche, aus der er einen kleinen Schlüssel holte. Nur er durfte ihn tragen. Er gab ihn nie aus der Hand, weil der Schlüssel zu einem Schloß paßte, das eine Schublade abschloß, die die Breite des Schreibtisches genau in der Mitte teilte.
    Sehr vorsichtig führte er den schmalen Schlüssel hinein. Er hatte ihn stets sorgfältig gepflegt und geputzt, was sich nun bezahlt machte. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und die Schublade war offen.
    Das Holz hatte sich etwas verzogen. Die Lade knarrte an den Seiten, als er sie
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