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0652 - Der Bogie-Mann

0652 - Der Bogie-Mann

Titel: 0652 - Der Bogie-Mann
Autoren: Jason Dark
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Vertrauen in fremde Menschen zunächst einmal sehr gering war. So erging es mir auch mit Tippy Drake. Mochte sie sich noch so locker und unbekümmert geben, ich wusste nicht, ob ich ihr alles sagen konnte und ob zwischen ihr, ihren Schwestern und dem Bogie-Mann möglicherweise eine Verbindung bestand. Sie hatten sich meines Erachtens zu intensiv mit ihm beschäftigt.
    Als wir den Holzsteg erreichten und ihn überklettern wollten, schaute ich noch einmal nach rechts, wo auf der Hangwiese sehr große Steine lagen.
    Wir hatten keinen Nebel, nicht den geringsten Dunst. In dieser Nacht war die Sicht ungemein klar, trotz der Dunkelheit.
    Das galt auch für die großen Felsen, die sich in den weichen Boden krallten und auch vom stärksten Sturm nicht bewegt werden konnten.
    Aber zwischen ihnen bewegte sich etwas. Da huschte jemand durch die Lücken.
    Ich pfiff durch die Zähne und warnte Tippy. Als sie sich umdrehte, deutete ich den Hang hoch. »Da ist jemand!«
    »Der Bogie-Mann!«, rief sie schrill, hob ihre Arme und zitterte plötzlich.
    Im selben Augenblick trat das ein, was selbst die Orkane im letzten Winter nicht geschafft hatten.
    Einer der Steine bewegte sich, hüpfte einmal und rollte als gewaltiger Gegenstand über den Hang in Richtung Tal. Und damit genau auf uns zu…
    ***
    Durch die Hilfe des Föhns hatte Esther Drake ihr blondes Haar schnell getrocknet, die Strähnen dann mit einem Gel eingeschmiert und sich geschminkt: blass die Lippen, etwas ausgeprägter die Augenbrauen, damit sie nicht zu bleich wirkten. Ein wenig Rouge hatte sie noch aufgetragen und ihre Wangen gepudert.
    Trotzdem wirkte sie noch ein wenig unsicher, als sie mit schlendernden Schritten an dem fahrbaren Kleiderständer entlangging und ihre Blicke über die dort hängenden Kleider gleiten ließ. Sie trug nur einen Hauch von Slip, denn sie befand sich mitten in der Anprobe.
    Die neue Kollektion war fertig, die Erste. Sie hing auf der Kleiderstange.
    Nur wenige Teile, dafür ausgesucht und von Hand genäht. Kleider, Röcke, Hosen in unterschiedlichen Weiten und Längen, bunt bedruckt oder einfarbig, aus nicht zu, teuren Materialien hergestellt, aber aus guten, die auch nicht zu teuer und damit verkäuflich waren.
    Eigentlich hatte sich Esther Drake schon entschieden. Nur wollte sie es genau wissen und nickte sich selbst zu, als sie neben einem Kleid stehen blieb, dessen Farbe ein modernes Rot zeigte. Kein knalliges oder helles Rot. Dieses hier war tiefer, es zeigte einen Schimmer, der wie reife Himbeeren aussah und auch einen Stich ins Violette hatte. Esther nahm das Kleid vom Bügel, schwang es einmal durch die Luft, bis es zurück auf ihren seitlich ausgestreckten, nackten Arm fiel und seidig über die Haut hinweg glitt.
    Für Esther war es nicht einfach ein Kleid: Wenn sie einen Vergleich suchte, dann fiel ihr der Begriff Schöpfung ein. Ja, sie hatte es geschaffen, sie hatte sich den raffinierten Schnitt einfallen lassen und so etwas musste einfach ein Renner werden.
    Natürlich standen fahrbare Spiegel in ihrem Atelier. Sie sorgte für mehr Licht. In der Mitte zwischen zwei Scheinwerferstrahlen blieb sie stehen.
    Jeder Mensch ist irgendwie ein Narziss, ein Selbstbewunderer. Auch Esther machte da keine Ausnahme. Als der Spiegel ihren fast unbekleideten Körper abbildete, musste sie einfach stehen bleiben und sich für eine Weile betrachten. Schließlich war sie die Älteste der drei Schwestern und wollte möglichst lange mit den Jüngeren konkurrieren können.
    Ja, sie konnte durchaus zufrieden sein. Keine Fettpölsterchen auf der Haut, aber auch nicht zu knochig. Sie war die beste Vorführerin ihrer eigenen Modelle. Da konnten ihr auch die Schwestern nicht das Wasser reichen, die sich eben mit anderen Dingen beschäftigten, wozu auf dem großen Bauernhof genügend Platz war.
    Sie hatten ihn gekauft. Eigentlich für ein Butterbrot. Der Besitzer war froh gewesen, ihn loszuwerden. Nach der Renovierung war er zu Besuch gekommen und hatte erlebt, wie sich sein Hof von innen her verändert hatte.
    Aus Räumen waren Ateliers geworden und aus den ehemaligen Ställen gemütliche Wohnräume, ohne dass der alte Gestank noch darin festgesessen hätte.
    Sie streifte das Kleid über die nackte Haut. Über ihre Lippen huschte ein Lächeln, als der Stoff ihre nackte Haut streichelte. Sie fühlte sich wohl und so sollten sich auch die Frauen fühlen, die ihre Ware kauften.
    In drei Boutiquen gab es die Modelle zu kaufen. Alle drei lagen in Glasgow.
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