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0652 - Der Bogie-Mann

0652 - Der Bogie-Mann

Titel: 0652 - Der Bogie-Mann
Autoren: Jason Dark
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Esther hoffte allerdings, dass sich auch andere Läden für ihre Mode interessierten. Sie spekulierte natürlich auf London, wo eben die großen Trends gesetzt wurden.
    Zum Kleid trug sie Samtschuhe, mit Schwarz und Rot abgesetzt. Zuletzt nahm sie einen Stoffgürtel und schlang ihn locker um die Taille. So wurde die Figur noch besser betont. An Schmuck begnügte sie sich mit einer Perlenkette.
    Ihre eigenen Schwestern waren die besten Kritikerinnen. Sie wollte von Marion wissen, was sie von der neuen Kreation hielt.
    Marion arbeitete im zweiten Atelier. Es war nicht als Schneiderwerkstatt eingerichtet, lag zum Süden hin, hatte sehr große Scheiben und diente einer Bildhauerin als Werkstätte.
    Das heißt, Bildhauerin wollte Marion noch werden. Im Moment befand sie sich in der Aufbauphase, sie übte, sie probierte, sie hatte das Stadium der Töpferei erst kurz zuvor verlassen.
    Über den breiten, hellen Gang mit den modernen Bildern an den ebenfalls weißen Wänden schritt Esther auf eine bemalte Tür zu. Das Motiv zeigte eine zur Faust geballte Hand, die nach oben gereckt war und aus der drei Frauen stiegen.
    Drei Schwestern - Esther, Marion und Tippy!
    Tippy hatte dieses Motiv gemalt. Es sollte ihren Zusammenhalt verständlich machen. Sie kamen aus einem Stamm, der ihnen die Kraft gab, und sie hielten zusammen.
    Tippy und Marion teilten sich das Atelier zur Hälfte. Es war größer als das der ältesten Schwester, die sich gegen die rechte Türhälfte lehnte und eintrat.
    Marion war nicht zu sehen, aber Esther konnte von der Tür aus gegen die große Glasfensterfront schauen, hinter der sich die Umgebung wunderbar und selbst schon gemäldehaft abzeichnete.
    Die Hänge, die Weite des Landes, die Bergrücken, über denen noch die Sonne hing. Sie war bereits dunkelrot geworden und lieferte ein Farbenspiel, das nicht nur Marion, die Malerin, immer wieder begeisterte.
    Esther fand die Schwester auch vor dem Fenster stehend und nach draußen schauend.
    Auf Zehenspitzen schlich sie näher. Marion hatte ihren Arbeitskittel ausgezogen. Sie trug ein hautenges, kurzes Kleid aus dünner Wolle. Der tropfenförmige Ausschnitt zeigte die Ansätze ihres festen Busens.
    Das blonde Haar mit roten Strähnen trug sie kurz. Wie die Stacheln eines Igels stachen die Strähnen in die Höhe.
    Marions Gesicht hatte etwas Kindliches. Manche sagten auch vulgär. Sie wirkte längst nicht so elegant wie Esther. Die etwas dicken Wangen und der Schmollmund machten sie für Männer interessant und Marion geizte nicht mit ihren Reizen.
    Sie hatte Esther gehört. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: »Du bist da, Esther.«
    »Sicher.«
    »Tippy ist noch mit ihm unterwegs.«
    »Ich weiß.«
    Marion hob die Schultern, ohne ihre Haltung zu verändern. »Ich rechne damit, dass sie vor Anbruch der Dunkelheit nicht zurückkehren. Hoffentlich passiert nichts.«
    Esther stand jetzt dicht hinter ihr. Marion roch nach Farbe und Terpentin. »Was sollte denn passieren?«
    »Das fragst du?«
    »Der Bogie-Mann.«
    »Ja, er ist unterwegs, wir wissen es.« Marion lachte summend und lehnte sich gegen Esther. »Weißt du, Schwester, ich habe ja keine Furcht vor ihm. Ich nicht.«
    »Muss das nicht jeder haben?«
    »Weiß ich nicht.« Sie nickte gegen die Scheibe. »Schau hinaus. Ist es nicht herrlich, diesen Sonnenuntergang erleben zu dürfen? Das ist ein Schauspiel, das man kaum beschreiben kann. Diese Farbenpracht am Himmel, die sich in die heranziehenden Abendwolken hineinschiebt. Es ist außergewöhnlich.«
    »Das meine ich auch.«
    »Tippy soll ihn malen. Immer wieder haben wir es ihr gesagt. Aber sie will einfach nicht.«
    »Sie findet es kitschig.«
    »Aber Natur kann nicht kitschig sein.«
    »Das sagst du. Manche denken anders darüber. Ich bin ja für die Natur, vor allen Dingen, was die Farben meiner Kollektionen angeht.«
    »Du hast es an, nicht?«, murmelte Marion.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe es in der Scheibe entdeckt.«
    »Willst du es sehen?«
    »Sicher.«
    Esther trat einen Schritt zurück, damit sich ihre Schwester umdrehen konnte.
    Marion bekam die neuesten Kleider stets als Erste zu sehen. Zudem hatte sie einen Riecher dafür, was sich verkaufen ließ und was nicht. Sie knipste das Licht nicht ein, sie wollte die Farbe bei der natürlichen Beleuchtung sehen.
    Esther wusste, was sie ihrer Schwester schuldig war. Einige Male drehte sie sich auf der Stelle, sorgte für das Schwingen des Rocks, der bei schnellen Drehungen sehr hoch glitt und
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