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0640 - Hexentränen

0640 - Hexentränen

Titel: 0640 - Hexentränen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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öffnete dann die Ofenklappe und setzte mit einem Bröckchen der glühenden Kohle, das er mittels Magie vorsichtig an die Pfeife manövrierte, den Tabak in Brand. Von der Gefahr, die Rauchen im Wald mit sich brachte, schien er noch nie etwas gehört zu haben. Er paffte ein wenig, warf die Kohle in den Ofen zurück und schloß die Klappe wieder.
    »Willst du den Ofen vielleicht foltern, damit er nach der Hexe schreit?« fuhr Ted kopfschüttelnd fort.
    »Das ist eine sehr gute Idee«, behauptete der Silbermond-Druide. »Genau das habe ich vor.«
    »Und wie? Willst du ihn an den Füßen kitzeln?«
    Gryf grinste.
    »Das wäre doch etwas zu einfallslos. Nein, mir ist dieses Feuer aufgefallen, die Glut. Wenn ich richtig informiert bin, benutzt die Hexe das Feuer, die Flammen, um damit über weite Entfernungen zu schauen oder Menschen zu manipulieren, indem sie sich durchs Feuer in ihre Träume einklinkt. Das bedeutet, daß das Feuer sehr wichtig für sie ist.«
    Ted nickte.
    »Somit werden wir das Feuer löschen. Wetten, daß Babuschka dann wie ein geölter Blitz hier auftaucht und Blutrache schwört?«
    »Geht es nicht etwas dezenter?« murmelte Ted unbehaglich. Die Idee einer racheschwörenden Baba Yaga gefiel ihm ganz und gar nicht.
    »Wer Schinken essen will, muß ein Schwein füttern«, sagte Gryf. Er winkte dem Ofen. »Es soll hier in der Nähe einen Bach geben. Mir nach, Schrottie.«
    Als er sich in Bewegung setzte, watschelte der Ofen auf seinen Hühnerbeinen gehorsam hinter ihm her!
    ***
    Merlin fragte sich, was seine Erinnerungsbilder zu bedeuten hatten. In kurzen Abständen überfielen sie ihn, machten ihn praktisch hilflos. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Sie stiegen in ihm auf und ließen Geschehnisse aus anderen Zeitabschnitten seines Lebens wieder auftauchen. Er durchlebte sie, als wären sie Realität.
    Der Gegenwart war er in diesen Momenten völlig entrückt. Auf einer anderen Ebene seines Bewußtseins registrierte er, daß er stocksteif da stand, daß er nicht mitbekam, was sich um ihn herum abspielte.
    In dieser Lage war er einem etwaigen Angreifer hilflos ausgeliefert. Er würde ihn nicht einmal rechtzeitig bemerken.
    Die Erinnerungsbilder kamen unregelmäßig und wirr durcheinander. Es waren Bilder aus ferner und naher Vergangenheit, aber auch aus naher und ferner Zukunft. Aber alle hatten sie mit dem Zauberwald zu tun.
    Auf irgendeine Weise wollte der Wald Merlin an sich binden, ihm vielleicht etwas sagen?
    Aber was?
    »Ich muß dagegen ankämpfen«, murmelte er. »Was auch immer es bedeutet - es ist zu gefährlich. Es könnte eine Falle sein.«
    EÄne Gegenreaktion Baba Yagas, raunte etwas in ihm. Vielleicht so, wie sie vom Wald selbst und von den Helfern attackiert wird, attackiert sie mich über meine Erinnerungen. Das paßt zu ihr. Sie spielt mit den Träumen der Menschen, formt Illusionen, benutzt Traumbilder zum Manipulieren und zur Kommunikation…
    So konnte es sein. Aber was konnte er tun? Wie konnte er sich gegen die Erinnerungen wehren?
    Wie kam Baba Yaga überhaupt an sie heran - wenn sie es denn wirklich war, die es irgendwie schaffte, diese Phasen in Merlin auszulösen? Sie konnte diese Erinnerungen doch nicht mit ihm teilen.
    Aber vielleicht zapfte sie die Erinnerungen des Waldes an?
    Merlin schüttelte sich. Wenn Yaga das wirklich konnte, war sie viel mächtiger, als er sich jemals hatte vorstellen können. Dann hatte sie auch ihm immer etwas vorgespielt, selbst in jenen Momenten, als…
    Merlin schüttelte sich.
    Mit einem Ruck schüttelte er die Gedanken von sich. Es brachte nichts, wenn er sich weiter darin verbiß. Im Gegenteil, er mußte seinen Geist befreien. Fragen, die jetzt unlösbar erschienen, würden mit der Zeit ihre Antworten finden.
    So war es schon immer gewesen, und so würde es auch wieder sein.
    Und möglicherweise schafften es seine drei Freunde ja auch, Yaga zu verscheuchen. Dann würde alles von selbst wieder enden.
    Er klammerte sich geradezu an diese Hoffnung.
    ***
    Yaga verließ den Burgturm und durchquerte den Innenhof der Festung. Das Tor stand weit offen. Die Burg war seit sehr langer Zeit verlassen und verfiel immer mehr; so hatte niemand den Sternenfalken daran hindern können, sich auf der Turmspitze ein Nest einzurichten…
    Die Hexe durchschritt das Tor und befand sich übergangslos wieder im Wald. Als sie sich umdrehte, war die Burg hinter ihr verschwunden, als habe es sie nie gegeben. Yaga machte die Probe aufs Exempel und trat wieder zurück.
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