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0638 - Das Palazzo-Gespenst

0638 - Das Palazzo-Gespenst

Titel: 0638 - Das Palazzo-Gespenst
Autoren: Jason Dark
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bin nicht überzeugt?«
    »So ist es.«
    Vom Nebentisch erhob sich ein Paar, grüßte steif in die Runde und wünschte eine gute Nacht.
    Wieder schauten zahlreiche Augenpaare den beiden nach, wie sie in einem der Gänge verschwanden.
    Jemand sagte laut, so dass es fast störend wirkte: »Der Nebel verdichtet sich.«
    »Na und?«
    »Das ist ihr Wetter, Signor.«
    Die Gäste schwiegen. Plötzlich bekamen ihre Gesichter einen betretenen Ausdruck. Der Name war nicht ausgesprochen worden, aber jeder wusste, worum es ging.
    Nur Signora Brandi lächelte. »Jetzt steigt die Spannung«, wisperte sie Sarah Goldwyn zu, die dabei war, sich eine frische Tasse Tee einzuschenken.
    »Ist das immer so?«
    »Fast immer. Ich sage Ihnen, hier muss man sehr genau beobachten.«
    Auch wenn offiziell nicht viel geschieht, sind die Reaktionen der Menschen doch sehr typisch.
    Sarah schaute auf die Uhr. Bis zur Tageswende war es noch eine Stunde Zeit.
    »Lassen Sie das. Venetia hält sich nie an bestimmte Zeiten. Sie erscheint, wann es ihr passt.«
    »Schön.« Sarah lehnte sich zurück.
    Allmählich wurde ihr der Stuhl unbequem. »Wenn ich davon ausgehe, dass es diese Venetia gibt, dann muss sie auch ein Motiv gehabt haben, verstehen Sie? Es muss einfach einen Grund geben, dass eine Person als Geist oder Gespenst zurückkehrt. Wie ist ihre Geschichte?«
    »Blutig«, flüsterte Signorina Brandi. »Sehr, sehr blutig, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Ich möchte Einzelheiten wissen.«
    »Sie hat hier gewohnt. Sie war die erste in diesem Palazzo, und sie war eine Mörderin.«
    »Wen tötete sie?«
    »Ihre Gäste.«
    Lady Sarah legte die Stirn in Falten. »Das verstehe ich nicht. Man lädt nicht Gäste zu sich ein, um sie anschließend zu töten. Für mich ist das widersinnig.«
    »Aber nicht für Venetia. Sie tötete die Gäste, weil sie es einfach musste. Sie war wie in einem Blutrausch. Eine frühe Lucia di Lammermoor. Als sie starb, bekam sie keinen Frieden. Man hat sie, glaube ich, in Eisklumpen eingepackt und sie dann in den alten Brunnen geworfen.«
    »Auch ein ungewöhnlicher Tod.«
    »So ungewöhnlich wie ihr Leben war. Der Geist fand keine Ruhe. Jetzt kehrt er zurück und mordet weiter.«
    »Wie?«
    »Sie vereist die Menschen. Wenn sie erscheint, geht ihr die Kälte des Todes voraus.«
    Lady Sarah nickte. »Kompliment, Signorina Brandi. Sie wissen sehr gut Bescheid.«
    »Si, das ist wahr. Manchmal ist Venetia für mich wie eine Schwester, wie eine böse Schwester.«
    »Die Sie hassen?«
    »Ich glaube schon. Und alle anderen hier hassen sie auch. Obwohl jeder auf ihr Erscheinen wartet und hofft, dass es ihn nicht erwischt.«
    »Irgendwann ist es doch vorbei. Dann ist keiner der Gäste mehr übrig.«
    »Das wäre auch so, wenn Venetia das ganze Jahr durchmorden würde. Aber sie beschränkt sich allein auf die erste Hälfte des Monats Mai. Danach ist Schluss.«
    Sarah Goldwyn schüttelte den Kopf. »Egal, was Sie auch denken, Signora, ich finde es weiterhin seltsam.«
    Sie leerte ihr Glas und stellte es sanft ab. »Aber es ist spannend, da können Sie nichts gegen sagen.«
    »Und lebensgefährlich.«
    »Was haben wir Alten noch zu verlieren? Man soll uns diesen Spaß mit dem Tod doch gönnen.«
    »Sorry, darüber denke ich anders. Ich lebe, das können Sie mir glauben, gern und intensiv. Ich möchte meine Jahre genießen und kein Spielball für den Tod sein.«
    »Das verstehe ich auch.«
    »Aber Sie denken anders?«
    »Ja, ich habe alles abgegeben. Die Firma befindet sich in der Hand meiner Nachkommen. Wir machen Nudeln, in Italien sehr krisensicher. Ich habe genügend Vermögen, um reisen zu können.«
    »Und Ihr Gatte?«
    »Der lebt schon seit fünf Jahren nicht mehr. Es war nicht schade um ihn. Er war ein alter Fremdgänger, hat mich von hinten und vorn betrogen, aber ich habe das Geld, das war wichtig. Heute will ich noch etwas Spannung haben, früher war es nur die Langeweile gewesen. All das hat mich angeödet. Die Feste, das angebliche dolce vita oder dolce far niente. Es ist beides nichts für mich. Keine Spannung.«
    Sarah enthielt sich eines Kommentars. Sie hatte schon viele Menschen kennengelernt, aber die Brandi gehörte zu den seltsamsten, die ihr je untergekommen wären.
    »Jetzt sind Sie geschockt, nicht wahr?«
    »Nein.« Die Horror-Oma gab eine ehrliche Antwort. »Das bin ich nicht. Wissen Sie, ich bin schon einiges gewöhnt. Ich frage mich nur, wie die Familie zu Ihrem ungewöhnlichen Hobby steht?«
    »Sie weiß von nichts.
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