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0638 - Das Palazzo-Gespenst

0638 - Das Palazzo-Gespenst

Titel: 0638 - Das Palazzo-Gespenst
Autoren: Jason Dark
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Außerdem sehe ich die Leute kaum.« Sie redete sehr neutral darüber. »Wir treffen uns nur zu offiziellen Anlässen. In der Regel sind es dann Pressetermine.«
    »So kann man leben?«
    »Ich schon.« Sie winkte den Ober herbei und bestellte das nächste Glas Martini. »Wissen Sie, die Familie besitzt zwar in Italien einen hohen Stellenwert, aber nicht überall.« Die Brandl lachte gackernd. »Nun ja, ich genieße mein Leben und auch die Spannung.« Sie beugte sich über die Tischkante, um näher bei Lady Sarah zu sein. »Schauen Sie sich mal unauffällig um. Dann wird Ihnen auch die Unruhe auffallen, die die meisten der Gäste befallen hat. Sie spüren genau, dass etwas kommt.«
    »Sie auch?«
    »Ja. Ich sagte Ihnen schon. Der Nebel ist ihr Wetter. Da wird sie aus ihrem Versteck herauskommen und sich ein neues Opfer suchen. Ich finde es gut.«
    »Nun ja, ich weniger.«
    »Machen Sie sich nichts daraus. Vielleicht haben Sie Glück, und es trifft einen anderen.«
    »Ein schwacher Trost.«
    »Besser als keiner.«
    Der Martini wurde serviert.
    Die Brandi nippte wieder und schaute dabei über den Rand des Glases hinweg auf die anderen Gäste.
    »Sie werden immer nervöser. Wie sie mit ihren Händen über die Lehnen rutschen, das sind Zeichen.«
    »Dann soll sie doch endlich kommen, zum Teufel!« Sarah Goldwyn hatte den Satz kaum ausgesprochen, als es geschah.
    Plötzlich flackerte das Licht. Der Kronleuchter über ihrem Kopf schien in Bewegung geraten zu sein. Das Licht ging aus, wieder an, wieder aus und es blieb dunkel.
    Sekundenlang war es still. Nur im Hintergrund brannten einige Wandleuchten.
    Ein leises Räuspern klang überlaut. Das fade Dämmerlicht blieb, die Menschen hielten den Atem an.
    Was würde geschehen?
    Auf einmal war der kalte Hauch da. Er strich wie mit Totenfingern gezeichnet durch die alte Halle, vorbei an den Gesichtern der Gäste.
    Auch Lady Sarah merkte ihn. Sie erschrak, drückte den Oberkörper nach vorn und zog das Kinn an die Brust.
    Der Hauch glitt vorbei.
    Von rechts wehte ihr das Wispern der Tischpartnerin entgegen. »Haben Sie es gespürt?«
    »Sicher.«
    »Jetzt ist sie gekommen. Von nun an gibt es kein Zurück. Sie werden Venetia erleben.«
    Noch erlebte Lady Sarah nichts, nur die Atmosphäre war eine andere geworden. Wie ein Wintereinbruch mitten im Sommer kam es ihr vor, und sie drehte sich auf ihrem Stuhl nach links, denn auch die Brandi tat dies.
    Beide Frauen blickten, wie auch die anderen Gäste, in eine bestimmte Richtung.
    Nur eine Armlänge von der Wand entfernt hockte sie auf einem der leeren Stühle.
    Venetia - das Palazzo-Gespenst!
    ***
    Sarah Goldwyn hörte neben sich das tiefe, stöhnende Atmen und dann den Kommentar. »Sie ist es, Himmel, sie ist es. Venetia, und sie hat sich fast manifestiert.«
    Es war unwahrscheinlich. Selbst die relativ abgebrühte Sarah Goldwyn, die so leicht nichts erschrecken konnte, war bleich geworden und rührte sich nicht. Sie hockte ebenso unbeweglich auf dem Stuhl wie all die anderen auch.
    Es war schlimm. Venetia zeigte sich als eine Mischung aus Geist und Gespenst. Das bläuliche, puppenhafte Gesicht, das bleiche Haar, ein rosefarben schimmerndes Kleid auf dem Körper, darunter ein Nichts, keinen Körper eigentlich, aber kalte, blaue Hände, die aus den Ärmeln des Kleides hervorschauten!
    Furchtbar…
    »Glauben Sie mir nun?« hauchte die Brandi.
    Sarah nickte nur und beobachtete. Das Gespenst wirkte wie jemand, der es sich gemütlich gemacht hatte. Es hockte auf dem Sessel. Für Lady Sarahs Geschmack strahlte dieses Wesen eine Selbstsicherheit aus, die sie als furchtbar einstufte.
    Venetia tat nichts. Sie hockte nur da und genoss ihren Auftritt. Das Gesicht schien aus Porzellan gemeißelt worden zu sein. Es passte nur zu der übrigen geisterhaften Erscheinung, und die Hände kamen Lady Sarah vor wie Mörderklauen, die nach einem Opfer forschten, um es zu töten.
    Jeder konnte es sein, und mit keinem Zeichen gab das Gespenst zu erkennen, wen es sich ausgesucht hatte.
    Es saß still und bewegte nur den Kopf, um sich einen Rundblick zu gestatten.
    Ein jeder fühlte die harten, weißen Augen auf sich gerichtet, aber keiner war in der Lage, etwas dagegen zu tun.
    Regungslos blieben die Gäste hocken. Ein jeder hoffte, dass der Kelch an ihm vorbeigehen würde.
    Auch Sarah spürte die Blicke.
    Eisig, ohne Gefühl. Sie sezierten ihre Seele, dieses Gespenst kam an, es drang durch, es verbreitete eine Aura des Grauens und der
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