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0637 - Nackt in die Hölle

0637 - Nackt in die Hölle

Titel: 0637 - Nackt in die Hölle
Autoren: Jason Dark
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stand ich auf und schaute ihr entgegen. Schick hatte sie sich gemacht. Der leichte Mantel war senffarben. Das Kleid darunter dunkelrot, fast so wie meine Jacke, und natürlich klimperten zahlreichen Ketten an ihrem Hals.
    Am meisten aber wunderte ich mich über ihr Haar. Grau, in Sarahs Alter normal, jetzt jedoch über der Stirn und sehr gut sichtbar mit einer dunkelroten oder violetten Strähne aufgepeppt, was für eine Frau ihres Alters ungewöhnlich war.
    Ich schaute nur auf die Strähne.
    »John, he, hast du was?«
    »Nein oder doch.«
    »Mein Haar, nicht?«
    Ich nickte, hörte sie lachen, dann nahm sie Platz und wurde auch nach einem Aperitif gefragt. Lady Sarah entschied sich für einen trockenen Sherry.
    Sie saß mir gegenüber. »Gefällt es dir, mein Junge?«
    »Sagen wir so, Sarah: Ich muss mich erst daran gewöhnen.« Ich lächelte und bewegte den Kopf. »Ist schon irgendwie toll, das muss ich gestehen. Nicht alle in deinem Alter haben diesen Mut.«
    Sie winkte ab. »Was heißt Mut, John? Man muss mal andere Wege gehen, verstehst du?«
    »Vielleicht hast du Recht.«
    »Nicht nur vielleicht, sondern bestimmt. Ich meine…«
    »Entschuldigung«, meldete sich der Ober mit Wisperstimme. »Die Karten, bitte.«
    Wir nahmen sie entgegen. Lady Sarah sah mein Lächeln über den Rand ihrer viel zu großen Speisekarte hinweg und fragte: »Hast du sonst noch Probleme?«
    »Irgendwie schon.«
    »Dann raus damit.«
    »Ich frage mich, weshalb du mich zum Essen eingeladen hast. Doch nicht einfach nur so.«
    »Warum nicht?« Sie hob ihr Glas, ich das meine auch.
    »Weil ich dir nicht glaube. Zudem bist du ohne Jane Collins hier erschienen.«
    »Was sagt dir das?«
    Ich trank einen Schluck, auch Lady Sarah nippte an ihrem Sherry. »Dass es möglicherweise um sie geht. Habe ich Recht?«
    Die Horror-Oma hielt sich zunächst mit einer Antwort zurück. Nur die Karte sank nach unten. Allein an dieser Reaktion merkte ich, dass ich so falsch nicht liegen konnte.
    »Habe ich Recht?«
    »Möglich.«
    »Und worum geht es wirklich?«
    »Soll ich es dir vor oder nach dem Essen erzählen?«
    »Ist es so schlimm?«
    Sie wiegte den Kopf. »Wie man es nimmt. Sagen wir so, es kann schlimm sein.«
    »Dann kommen wir uns beide entgegen. Du besprichst das Problem nach der Vorspeise.«
    »Abgemacht.«
    Wir widmeten uns dem Studium der Karte, wobei ich gedanklich nicht so ganz bei der Sache war.
    Lady Sarahs Worte hatten mich irgendwie beunruhigt.
    Ich hätte bis auf einige Ausnahmen wie Hirn oder Schnecken jedes Gericht probieren können und bestellte für mich Lachs mit frischem Spargel als Vorspeise. Danach entschied ich mich für eine kleine Scampi-Pfanne in einem Sud aus Tomaten, Pfeffer und Knoblauch, die schwarzen Oliven nicht zu vergessen.
    Lady Sarah wollte einen feinen Hering süß-sauer und danach Filetspitzen. Der Ober nahm die Bestellung wie immer lächelnd entgegen und verschwand auf leisen Sohlen.
    Ich hatte noch einen leichten Wein geordert und sagte dann: »Es geht also um Jane.«
    »Das habe ich nicht gesagt!«, konterte Lady Sarah, während sie das frische Weißbrot mit Schmalz bestrich.
    »Aber auch nicht abgestritten.«
    »Stimmt.«
    »Und wo liegt das Problem?«
    Die Horror-Oma gab mir die Antwort nach dem Kauen. »Später, John, nach der Vorspeise.«
    Ich grinste breit. »Du machst es aber heute spannend, das will ich dir sagen.«
    »Ist nun mal meine Art.«
    Ich hob die Schultern und ergab mich. Wenn die Horror-Oma so redete, hatte ich keine Chance, etwas aus ihr hervorzukitzeln.
    Die Zeit wurde mir etwas lang. Voller Spannung wartete ich auf das erste Gericht. Obwohl wir Montag hatten, füllte sich das Lokal rasch. Hinter mir hockten zwei Geschäftsleute zusammen und sprachen über die sich allmählich öffnenden Märkte Osteuropas.
    Der Wein schmeckte fruchtig, hatte genau die richtige Temperatur, und Lady Sarah hörte zu, wie ich ihr von den letzten Fällen berichtete, die für mich persönlich so gravierend gewesen waren.
    Endlich wurde die Vorspeise serviert. Beides sah nicht nur gut aus, es schmeckte auch hervorragend. Trotzdem konnte ich den Lachs und den Spargel nicht so recht genießen, weil ich immer über Jane Collins nachdenken musste.
    Hoffentlich hatte sie keinen Mist gebaut. Zuzutrauen war es ihr. Sie gehörte zu den Menschen, die nicht gerade den ebenen Weg gingen und lieber Kurven und Hindernisse in Kauf nahmen.
    Ich ließ das letzte Stück Spargel im Mund verschwinden, trank noch einen Schluck Wein
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