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0630 - Das Tengu-Phantom

0630 - Das Tengu-Phantom

Titel: 0630 - Das Tengu-Phantom
Autoren: Jason Dark
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stieg ein und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ellen sah noch gut aus.
    Trotz ihrer vierzig Jahre war ihr Körper straff. Falten kannte sie nicht. Ihr Lächeln wirkte jugendlich, und das mahagonifarbene Haar umrahmte als natürliche Lockenpracht ihr rundliches Gesicht mit dem herzförmigen Mund. Im Außenspiegel wischte für einen Moment ihr Gesicht entlang. Ellen stellte fest, dass sie müde Augen hatte. Ihre Hände zitterten.
    Woran lag es? An den Drohungen, die sie erhalten hatte? Das konnte möglich sein. Auch wenn Winston, ihr Mann, darüber gelächelt hatte, wusste sie doch, dass er tief in seinem Innern anders darüber dachte.
    Für einen Moment schloss sie die Augen, bevor sie sich in die Polster zurücksinken ließ. Der Wagen fuhr. Sie merkte es kaum. Ellen hatte das Gefühl, auf einem Boot zu stehen, das sie hineintrug in eine andere Welt, wo es weder Sorgen noch Ängste gab.
    Erst als sie das Grundstück verlassen hatten, öffnete sie wieder die Augen.
    Die Fahrbahn lag dunkel vor ihnen. Ein schwarzer Kanal, über den nur das Licht der Scheinwerfer huschte. Ein geisterhafter Teppich, der auch die Ränder nicht ausließ und Buschwerk in fahle, dünne Totenarmen verwandelte, die wirkten, als wollten sie nach irgendwelchen Gegenständen fassen, obwohl diese nicht vorhanden waren.
    »Sorry, Madam, aber ich habe Sie noch nicht nach ihrer Adresse fragen können.«
    »Tut mir leid.« Ellen Crawford schlug leicht gegen ihre Stirn. Dann sagte sie ihm die Anschrift. Sie wohnte ebenfalls in einem Nobelvorort der Millionenstadt, im Süden Belgravias. Belgravia war ein Paradies für Millionäre, für Leute, die es sich gut gehen lassen konnten. Hier gab es keine Armut, hier kannte man nur die Sorgen, wie man sein Geld vermehrte.
    Jeder, der hier lebte, besaß genügend Platz, um sich ausbreiten zu können. Niemand hockte aufeinander, aber es gab auch die große Einsamkeit hinter den Mauern der Häuser, die die einen mit Alkohol, die anderen mit Drogen bekämpften.
    Das wusste Ellen auch. Sie und ihr Gatte waren davon allerdings verschont geblieben.
    Noch etwas kam hinzu.
    Am späten Abend und in der Nacht wirkte diese Gegend wie ausgestorben. Nur hin und wieder rollte ein Wagen durch die ruhigen Straßen, wo auch wenige Laternen standen. Die meisten Lichtinseln befanden sich in den Gärten und strahlten die hinter Bäumen und Buschwerk liegenden Häuser an, wobei die Grundstücke noch durch Mauern oder Zäune geschützt waren.
    Ellen gähnte. Der Fahrer konzentrierte sich auf seinen Job. Er war froh darüber, nicht zu weit fahren zu müssen, denn er wollte sich noch den Spätfilm ansehen, den ein Privatsender über den Kanal schickte, eine Mischung aus Action und heißem Sex, wie ihm von einem Bekannten gesagt worden war.
    Alles lief normal, alles sah normal aus. Keiner von ihnen hatte einen Grund, misstrauisch zu sein, bis zu dem Augenblick, als sich alles radikal änderte.
    Woher die Gestalt gekommen war, hatten weder Jack noch Ellen sehen können.
    Jedenfalls war sie plötzlich da, und sie stand mitten auf der Straße wie ein schwarzes Phantom.
    Ellen Crawford erschrak zutiefst. »Halten Sie an!«, rief sie. »Mein Gott, wer ist das?«
    Auch Jack wusste keine Antwort. Der dachte sofort an Killer, an Räuber, an Menschen, die anderen auflauerten, und er dachte an seine Gaspistole, die er bei sich trug.
    Die Gestalt ging nicht zur Seite. Wenn Jack nicht bremste, würde er sie rammen und von der Fahrbahn schleudern.
    Er wäre unter Umständen durchgefahren, wenn er allein im Wagen gesessen hätte. In diesem Fall aber musste er auf seinen Passagier Rücksicht nehmen.
    »Bitte, Jack!« Ellen kam sich vor wie auf dem Elektrischen Stuhl. So ähnlich musste es einem zum Tode Verurteilten ergehen, der dort seine letzten Sekunden erlebte.
    Jack blieb ruhig. Er nagelte das Bremspedal in die Tiefe. Die Fahrbahn war trocken, zeigte höchstens an den Seiten ein paar feuchte Flecken, und der Mercedes - ausgerüstet mit ABS - stand sehr gut.
    Aber auch der andere stand!
    Im Licht der Scheinwerfer wirkte er einfach furchtbar. Von seinem Gesicht war nichts zu erkennen, denn eine Ledermaske lag wie eine zweite Haut über den Zügen. Nur zwei Schlitze für die Augen waren frei geblieben, und sie funkelten eisig.
    Auch der übrige Körper war von einer dicht anliegenden Ledermontur bedeckt, bis auf die gewaltigen, muskulösen Arme, die frei lagen und einen bleichen Schimmer zeigten, als gehörte die Haut einer
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