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063 - Die linke Hand des Satans

063 - Die linke Hand des Satans

Titel: 063 - Die linke Hand des Satans
Autoren: Dämonenkiller
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das wurde sofort klar. Und außer Dorian und Coco gab es auch keine Zuschauer.
    Es war nicht schwer zu erkennen, daß es dieselben Hände waren, die für die Zeichnungen und Plastiken in Tims Atelier Modell gestanden hatten. Aber in Wirklichkeit waren sie viel lebendiger, viel ausdrucksstarker. Es war unmöglich, diesen Händen in einer Skizze oder einer Plastik gerecht zu werden. Dorian konnte sehr gut verstehen, daß Tim mit seiner Arbeit nicht zufrieden gewesen war. Diese Hände wirkten selbst im Kerzenlicht wie aus weißem Marmor gemeißelt, überirdisch fremd und vollkommen. Und dieser weiße Marmor war beseelt. Diese weißen, grazilen und doch so kräftig anmutenden Hände waren voll Gefühl. Sie konnten Erschrecken ausdrücken, Zärtlichkeit, Ruhe und Erregung.
    „Weiter so, Maria - meine Maria. Du bist mein Leben."
    Die Stimme, die diese Worte flüsterte - nein, hauchte - war voll Zufriedenheit. Und die Stimme gehörte Tim Morton.
    Dorian konzentrierte sich auf die beiden Menschen, deren Mittelpunkt die beiden Hände waren.

    War das wirklich und wahrhaftig Timothy Morton?
    Im Profil wirkte er fast unverändert - und nur deshalb erkannte Dorian ihn sofort. Als sich ihm sein Gesicht aber voll zuwandte, da erschrak Dorian über die Veränderungen, die darin stattgefunden hatten. Die Wangen waren eingefallen, und tiefe Furchen zogen sich von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln herunter. Die gerade Nase trat aus dem Knochengesicht erschreckend groß hervor. Die Augen lagen dagegen tief in den Höhlen, hatten einen flackernden Blick, waren von schwarzen Ringen eingeschlossen und in dunkelviolette Tränensäcke gebettet. Das Haar hing ihm unordentlich und fettig ins Gesicht, war von grauen Strähnen durchzogen, die Dorian früher nie entdeckt hatte. „Tim, bist du es?" brachte Dorian kläglich hervor.
    Der andere beachtete ihn nicht, ja, Dorian war gewiß, daß er ihn überhaupt nicht hörte. Er lebte in einer ganz anderen Welt, in der Welt der Hände des ihm gegenübersitzenden Mädchens.
    Das Mädchen war klein und mager, wirkte aber dennoch irgendwie plump und unproportioniert. Ihr Körper erschien durch die überall hervorstehenden Knochen eckig und ungelenk. Sie hatte nichts Aufregendes, nicht Einnehmendes an sich. Der graue Ton der Haut wurde auf ihren knochigen Armen und den zu dick geratenen Beinen am deutlichsten. Das Gesicht - rund, mit vollen, wulstigen Lippen und großen, dümmlich dreinstarrenden Augen - war alles andere denn attraktiv; es war bar jeglichen Ausdrucks. Sie besaß nur ihre Hände. Und denen war Tim verfallen.
    „Timt" Dorian packte den Freund bei der Schulter und rüttelte ihn.„ Ich bin's - Dorian! Erkennst du mich denn nicht wieder?"
    Tim Morton drehte langsam und unwillig wie es schien, den Kopf herum. Dabei schielte er immer wieder bedauernd zu den Händen hinüber, die in der Bewegung erstarrt waren, die Finger gespreizt hatten und wie ein zehnarmiger Leuchter wirkten.
    Tim löste seinen Blick nur ungern von den Händen.
    „Ah - Dorian", lallte er. „Wie geht's?"
    Er wandte sich wieder ab, schien Dorian längst wieder vergessen zu haben, als er sich über die Hände des Mädchens beugte und die Fingerspitzen sanft küßte. Die Hände dankten es ihm, indem sie kosend über sein Gesicht streichelten.
    Plötzlich zuckten die Finger konvulsivisch; das heißt, nicht alle Finger, nur jeweils der kleine Finger jeder Hand.
    Alarm!
    Selbst Dorian war sofort klar - obwohl er die Sprache dieser Hände nicht kannte - daß sie Alarm signalisierten.
    „Was ist, meine kleine Maria?" fragte Tim.
    Die Finger signalisierten weiter.
    „Wovor hast du Angst? Niemand will dir schaden. Von wem sollte denn Gefahr drohen? Uns kann niemand etwas anhaben. Wir haben uns - deine Hände. Solange niemand sie uns wegnimmt, kann unserem Glück nichts geschehen."
    Tim küßte wieder die Spitzen der zuckenden Finger. Maria Ramos' Gesicht blieb dabei ausdruckslos. Er berührte die Finger mit der Zungenspitze.
    „Tim... " begann Dorian wieder.
    „Ja, ja", fuhr ihm Tim Morton ins Wort, ohne das Spiel der Hände aus den Augen zu lassen. „Ich weiß ja, daß du da bist, Dorian. Du solltest dich bei Maria entschuldigen. Du hast sie erschreckt.
    Sage ihr, daß du ihr nichts zuleide tun willst! Sage ihr das, damit sich ihre lieblichen Hände beruhigen können. Sind das nicht einmalig schöne Hände, Dorian? Vollkommene Hände? Etwas Vollkommeneres hast du nie gesehen."
    „Doch, Tim", behauptete Dorian.
    Die
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