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063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor
Autoren: Edgar Wallace
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wieder ihr Liebhaber, aber er langweilte sie.
    Es wurde leise an die Tür geklopft. Dombret kam herein, ihr Taftkleid rauschte. Diana kleidete ihre Zofe stets in dunkelrote Taftseide und bestand auf Tändelschürzen und hohen Frisuren, wie sie die Kellnerinnen in den Cafes tragen. Dombret war zwanzig Jahre alt und sehr hübsch. Die knisternde Seide kleidete sie gut.
    »Wollen Sie Miss Joyner empfangen, gnädiges Fräulein?«
    »Miss Joyner?« Diana starrte die Zofe an. »Haben Sie richtig gehört? – Miss Joyner?«
    »Jawohl, gnädiges Fräulein. Eine sehr hübsche junge Dame.«
    Diana überlegte schnell.
    »Bitten Sie die Dame, näher zu treten.«
    Dombret verließ das Zimmer nur einen Augenblick.
    »Miss Joyner.«
    Diana ging quer über das Parkett. Sie streckte dem Besuch ihre Hand entgegen. Ein entzücktes Lächeln spielte auf ihrem blassen Gesicht. Sie trat selbstbewußt auf, denn sie wußte, wie vollendet die Linien ihrer Gestalt waren und wie verführerisch ihr rötlichblondes Haar glänzte.
    »Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie kommen, Miss Joyner.«
    Hope Joyner nahm die Hand. Ihre klaren grauen Augen begegneten Dianas Blick weder feindlich noch argwöhnisch. Sie war drei Jahre jünger als Diana und befand sich in dem Alter, in dem es schwierig ist, sich an das Aussehen vor einem Jahr zu erinnern.
    »Ist Ihnen mein Besuch auch recht?« fragte sie. Das also war Hope Joyner. Sie sah liebreizend aus. Diana war sehr kritisch, aber hier fand sie nichts auszusetzen, weder an ihrer Figur noch an ihrer Stimme, noch am Teint. »Es ist mir sehr angenehm – bitte, nehmen Sie Platz!« Sie nahm das verschlafene Hündchen vom Kissen. Durch heftiges Bellen protestierte der Kleine, bis er durch einen Puff zur Ruhe gebracht wurde. Prügel und Liebkosungen wechselten bei Togo ab, daran war er schon gewöhnt. Aber Hope blieb stehen. Nur ihre weiße Hand legte sie auf die Polsterlehne des Sessels. »Ich habe einen Brief von Ihnen bekommen – einen sehr merkwürdigen Brief«, sagte sie. »Darf ich ihn noch einmal vorlesen? Vielleicht haben Sie vergessen, was Sie geschrieben haben.« Diana vergaß solche Dinge nie, aber sie erhob keinen Widerspruch. Sie beobachtete das Mädchen mit besonderem Interesse, als sie ihre Handtasche öffnete. Hope zog einen Umschlag heraus und entnahm diesem einen schweren grauen Bogen. Ohne Einleitung begann sie zu lesen:
    »Liebe Miss Joyner, ich hoffe, Sie werden es nicht unverschämt von mir finden, daß ich Ihnen in einer Angelegenheit, die mich nahe angeht, schreibe. Ich weiß genug von Ihnen, um zu glauben, daß Sie mein Vertrauen respektieren werden. Kurz gesagt, ich bin in einer verwirrenden Lage. Vor Ihrem Erscheinen war ich mit Sir Richard Hallowell verlobt. Wir sind durch eine Familienangelegenheit, die kein besonderes Interesse für Sie hat, zur Zeit entfremdet. Sie sind mit ihm in der letzten Zeit sehr häufig gesehen worden, und man spricht sehr unfreundlich von Ihnen. Man fragt, wer Sie sind, woher Sie kommen, wie es mit Ihrer Familie steht. Dies geht mich jedoch weniger an als meine persönliche Lage. Ich liebe Dick zärtlich, und er liebt mich, obgleich wir im Augenblick nicht miteinander sprechen. Darf ich mich nun an Ihre Großmut wenden und Sie bitten, uns eine Gelegenheit zu geben, unsere Freundschaft zu erneuern?«
    Als sie zu Ende war, steckte sie den Brief wieder in ihre Handtasche und schloß sie leise.
    »Ich glaube nicht, daß ich eine unvernünftige Bitte an Sie gerichtet habe«, sagte Diana kühl.
    »Ich soll mich selbst unglücklich machen?« fragte Hope mit ruhiger, betonter Stimme. »Warum denn? Sie haben doch alle Vorteile auf Ihrer Seite. Nehmen Sie sich nicht etwas viel heraus?«
    Diana biß sich gedankenvoll auf die Lippen.
    »Es mag sein – es war ein dummer Brief, aber ich war etwas verwirrt. Aber das macht ja nichts. Sie sind ja nur seine Freundin und sorgen sich um ihn – «
    Hope schüttelte den Kopf.
    »Das meine ich nicht. Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich nicht zuviel herausnehmen, wenn Sie ein so großes Opfer von mir verlangen?«
    Diana kniff die Augen zusammen.
    »Sie meinen – daß Sie ihn lieben?«
    »Ja, das meine ich«, sagte sie.
    Dieses Bekenntnis nahm Diana den Atem, und es dauerte einige Zeit, bevor sie wieder sprechen konnte.
    »Wie interessant!« sagte sie, aber Hope Joyner reagierte auf die höhnische Bemerkung nicht. »Ich muß also annehmen, daß meine verständliche Bitte Sie von Ihrem« – sie machte eine wohlüberlegte
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