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063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor
Autoren: Edgar Wallace
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Brill – hat der, hm, Herr etwas gesagt – ich meine, über sich selbst?«
    Brill zögerte.
    »Nein, Sir. Er schien übler Laune zu sein und sagte, daß Sie sehr froh sein müßten, eine derartige Wohnung zu haben – «
    Wieder zögerte er.
    »Hat er sonst noch etwas gesagt?«
    »Nein, das ist alles… Er lachte so höhnisch. Sonst ist nicht viel los mit ihm, soweit ich sehen kann.«
    »Ja, Sie haben recht – nichts.«
    Dick ging die Steintreppe hinauf und machte vor einer Tür halt. Mit düsterem Gesicht stieß er sie auf und ging hinein. Am Fenster des vornehm ausgestatteten Wohnzimmers stand ein Mann und schaute hinaus. Er schien das Exerzieren der Soldaten im Hof zu beobachten. Als er sich jetzt zu Dick umwandte, sah man ein hageres und unzufriedenes Gesicht. Er trug schäbige Kleidung, und seine Absätze waren abgetreten. Trotzdem glich er in seinen Zügen und in seiner Haltung auffällig dem schweigenden Offizier, der ihn aufmerksam betrachtete.
    »Hallo!«
    Er ging Dick einige Schritte entgegen und sah ihn forschend an. Sein Betragen war weder freundlich noch beleidigend.
    »Hallo – Bruder!«
    Dick sagte nichts. Als sie einander gegenüberstanden, konnte man die Familienähnlichkeit noch deutlicher sehen, und doch waren beide verschieden. Wenn Graham Hallowell nicht so rauh gesprochen hätte, wäre seine Stimme der seines Bruders vollkommen gleich gewesen. Aber er hatte die liebenswürdigen Umgangsformen von früher abgestreift und hatte vergessen, daß er einst die Ruderboote einer berühmten Schule geführt und der Stolz und die Zierde der Universität gewesen war.
    Jetzt wußte er nur, daß er ein vom Schicksal hart mitgenommener Mann war, der niemals eine Chance gehabt hatte. Er war so verbittert, daß er sich nur noch an die Not und die bösen Erfahrungen seines Lebens erinnerte.
    »Deine Begrüßung ist genauso begeistert wie immer«, sagte er höhnisch, »und ich will wetten, daß du mich nicht zum Essen in die Offiziersmesse einlädst! >Hier ist mein Bruder – Graham Hallowell, der gestern von Dartmoor entlassen wurde und der Ihnen interessante Geschichten aus dieser Hölle erzählen kann! <«
    Seine Stimme wurde immer lauter, bis er schließlich schrie. Dick merkte, daß er getrunken hatte und in seiner bösartigsten Stimmung war. »Auch dein verdammter Bursche behandelt mich, als ob ich ein Aussätziger wäre – «
    »Das bist du auch«, sagte Dick mit leiser, aber klarer Stimme. »Ein Aussätziger – das ist die richtige Bezeichnung für dich, Graham! An dir ist etwas Verfaultes, dem Leute, die noch Selbstachtung haben, aus dem Wege gehen. – Und schrei nicht so, wenn du mit mir sprichst, sonst packe ich dich am Kragen und werfe dich die Treppe hinunter. Hast du mich verstanden?«
    Der andere ließ sich durch diese Drohung einschüchtern und wurde aus einem prahlenden Raufbold zu einem jammernden Bettler.
    »Kümmere dich nicht um mich, Dick – ich habe heute morgen schon zehn Glas getrunken –, alter Junge, stell dir doch vor, wie dir zumute wäre, wenn du gestern aus dem Gefängnis entlassen worden wärest! Versetze dich einmal in meine Lage!«
    Dick unterbrach ihn.
    »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn ich fürs Gefängnis reif wäre«, sagte er kühl. »Solche Einbildungskraft besitze ich nicht. Es ist mir einfach unmöglich, mich an deine Stelle zu denken, als du einen jungen, unerfahrenen Gardeoffizier betäubtest und beraubtest. Der Mann schenkte dir sein Vertrauen, weil du mein Halbbruder bist. Noch unmöglicher erscheint es mir, mit der Frau eines angesehenen Mannes durchzubrennen und sie nachher in Wien in Hunger, Elend und Schande sitzenzulassen. – Und noch so vieles andere, dessen ich nicht fähig wäre. Aber ich will lieber nichts mehr davon erwähnen. Wenn ich mich an deine Stelle setzen und begreifen könnte, wie ein Mann so niederträchtig sein kann wie du – ja, dann würde ich deine augenblicklichen Gefühle vielleicht eher teilen können. – Was willst du von mir?«
    Grahams unruhiger Blick irrte zum Fenster.
    »Mein Leben ist verpfuscht«, sagte er verdrießlich. »Ich dachte daran, nach Amerika zu gehen – «
    »Hat die amerikanische Polizei entdeckt, daß man in Amerika dringend Gesindel braucht, weil du ausgerechnet dorthin gehen willst?«
    »Du bist hartherzig wie die Hölle, Dick.«
    Dick Hallowell lachte – aber es war kein frohes Lachen.
    »Wieviel willst du haben?«
    »Den Fahrpreis nach New York –
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