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0629 - Der Racheengel

0629 - Der Racheengel

Titel: 0629 - Der Racheengel
Autoren: Jason Dark
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Lupe nehmen konnte.
    Es war kein Splitter, es war ein Pfeil!
    Fast so hell aussehend wie Glas. Deshalb hatte sich der Inspektor auch täuschen lassen. Der Pfeil steckte mindestens bis zur Hälfte in der Haut.
    Automatisch dachte Suko an die Indianer im Amazonasdschungel, die sich gegen die weiße, räuberische Übermacht dadurch wehren, dass sie kleine Pfeile abschießen, deren Spitzen mit einem schnell wirkenden Gift getränkt sind, zumeist Curare.
    Auch hier?
    Suko hätte gern erfahren, wie lange der Konstabler noch gelebt hatte, aber eine andere Szene schob sich vor sein geistiges Auge. Er dachte wieder an seine Begegnung mit den drei Höllenbrüdern in der »Last Post«. Einer von ihnen, so glaubte er sich zu erinnern, ein Kerl mit einem Totenkopfschädel, hatte ein Blasrohr zwischen seinen Fingern gehalten. Der heimtückische Mord an dem Konstabler passte haargenau in dieses Schema hinein.
    Hinter sich vernahm er das Murmeln der Stimmen, das sich wie eine Beschwörung anhörte.
    Ein Ruf jedoch überhallte alles, eine Warnung!
    »Da, am Fenster!«
    Suko schaute noch.
    Im scheibenfreien Rechteck war der Kopf mit der dünnen Gesichtshaut erschienen. Weit vorstehend wie eine überlange Nase sah Suko das Blasrohr. Sogar die Öffnung konnte er erkennen und bekam mit, wie der Mann blitzschnell die Wangen aufblähte, um den nächsten Pfeil auf die tödliche Reise zu schicken…
    ***
    Die Mörderin war schön, sehr schön sogar. Sie stand mir gegenüber, hielt die Mordwaffe noch in der Hand, ein Schwert mit langer, jetzt blutgetränkter Klinge.
    Ich sagte nichts, ich tat nichts. Das hatte einen simplen Grund. Ich war einfach zu überrascht, denn mit einer fremden Frau hätte ich in diesem Wald nie gerechnet.
    Meinen Blick konnte ich einfach nicht von ihr abwenden. Diese Person hatte ein Flair, an dem auch ich nicht so ohne weiteres vorübergehen konnte.
    An eine Waldfee, wie es sie in Aibon gab, wollte ich nicht glauben, dazu war sie nicht zart genug.
    Sie trug nur Kleiderfetzen, die viel von ihrer Haut sehen ließen. Das hemdartige Gewand war zudem durchsichtig.
    Das Gesicht zeigte einen lasziven, lockenden Ausdruck. Hellwache Augen schauten mich dabei an.
    Sie blickten blaugrün, passten irgendwie nicht zu den weichen Zügen und dem vollen Mund, ebenso wenig wie die Mordwaffe.
    Um den Hals hatte sie eine Kette gehängt. Sie bestand aus kleinen Dreiecken, die mit den Spitzen nach unten hingen und wie bleiches Gebein schimmerten. Das Haar konnte ich nur als Mähne beschreiben. Es umwuchs ihren Kopf, zeigte eine bläulichblonde Farbe und war so geschnitten oder gewachsen, als hätten es gespreizte Finger durchwühlt.
    Uns trennte ein quer liegender Baum. Über ihn hinweg starrten wir uns an.
    Sie sagte nichts. Ich schwieg ebenfalls, denn ihr Erscheinen hatte dem Fall eine völlig neue Wendung gegeben, mit der ich nicht gerechnet hatte.
    Eigentlich hatte ich mich um Halifax kümmern sollen, den Toten, der vor meinen Füßen lag. Sein Onkel, ein gewisser Sir Edgar Brake, hatte ihn dazu ausersehen, seine Firma zu übernehmen. Pech war nur gewesen, dass Halifax auf dem Weg zu seinem Onkel einen magischen Angriff erlebt hatte und in eine psychiatrische Klinik in der Nähe eingeliefert worden war.
    Ich war nicht allein gefahren, wusste Suko im Hintergrund, doch bisher hatten sich unsere Wege nicht gekreuzt. In der Anstalt war es mir gelungen, den Patienten Halifax von den blauen Geistern zu befreien, die allerdings nicht hatten von mir eingefangen werden können und nun herumirrten.
    Halifax hatte mich zu der Quelle geführt. Er war nicht sehr hilfsbereit gewesen. Ich hatte ihn praktisch zwingen müssen. Ich hatte die Schädel unter dem halb ausgerissenen Leichenbaum gesehen und die Flucht des Mannes nicht verhindern können. Sein Schrei hatte mich aufgeschreckt, ich war durch einen für meinen Geschmack veränderten Wald gelaufen, auf die Leiche des jungen Mannes gestoßen und stand nun seiner schönen Mörderin gegenüber.
    Warum zog ich nicht meine Waffe, bedrohte sie damit, um ihr zu befehlen, das Schwert fortzuwerfen?
    Ich wusste es nicht. Es gab in meinem Innern eine Hemmschwelle. Möglicherweise wollte ich auch nicht akzeptieren, dass sie die Mörderin war, obwohl das Gegenteil dafür sprach.
    Wir schauten uns nur an. Keiner bewegte sich. Damit passten wir uns der ungewöhnlichen Umgebung an, denn auch durch den Wald huschte nicht der Hauch eines Windzugs.
    Als ich ihn betreten hatte, da war nichts festzustellen gewesen.
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