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0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

Titel: 0623 - Ein Tropfen Ewigkeit
Autoren: Jason Dark
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Zeit drängt.«
    »Es gibt keinen.«
    Ich schloß für einen Moment die Augen. Das hatte ich mir gedacht.
    Es gab nur den einen Weg, den wir als Tote nehmen mußten. Dennoch beinhaltete er ein Risiko. Gingen wir ihn, oder ließen wir uns töten, um dann in den Kessel geworfen zu werden, würden wir sicherlich an der anderen Seite wieder hervorgehen können, als lebende Personen, aber wir würden auf der Insel bleiben. Das war Avalons Fluch. Die Insel ließ keinen mehr entkommen.
    Kara mußte ähnlich gedacht haben wie ich, denn sie erklärte dem Riesen, daß wir das Wagnis auf uns nehmen würden.
    Ich hatte mich auf das bleiche Knochengesicht mit der dünnen Haut konzentriert und glaubte sogar, den Anflug eines Schreckens über die Züge huschen zu sehen.
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch, de Lacre. Wir werden den Kessel betreten, denn es geht um alles für uns. Wir wollen auch den Gral zurück. Wo befindet er sich? Sag es uns.«
    »Ihr werdet ihn treffen können.«
    »Also im Zauberkessel?«
    »Dort hat er noch eine Aufgabe zu erfüllen.« Welche das genau war, sagte uns der Riese nicht. Er ging zwei für ihn kleine Schritte zurück, um uns Platz zu schaffen.
    Ich hatte es plötzlich eilig und schloß rasch zu der Schönen aus dem Totenreich auf.
    »Du hast es gehört, John?«
    »Natürlich.« Ich atmete schwer. Plötzlich bewegte sich die Welt vor meinen Augen. Am liebsten hätte ich mich irgendwo hingesetzt und mich ausgeruht.
    Kara merkte natürlich, was los war. »Reiß dich noch einmal zusammen, John – bitte!«
    »Ist gut.«
    Wir gingen weiter, und Kara nahm meine Hand. Sie führte mich wie ein kleines Kind. Ich war froh darüber und ärgerte mich gleichzeitig, weil ich mir meiner Hilflosigkeit bewußt wurde.
    Kein Hindernis versperrte uns den Weg. Rechts und links wuchsen die Türme aus Stein in die Höhe. Der Fels zeigte eine graue, schattenhafte Farbe. An einigen Stellen war er fleckig. Dort klebten grüne Moosbüschel in den Ausbuchtungen.
    Als wir die Türme hinter uns gelassen hatten, klärte sich unser Blick. Für den Riesen Brân, der sich ebenfalls nicht weit entfernt aufhielt, hatten wir kein Auge. Unsere Sicht galt einzig und allein dem geheimnisvollen Zauberkessel, dessen Namen wir kannten, wobei ich mir bisher noch kaum Vorstellungen von ihm gemacht hatte, wobei ich trotzdem von einer Kesselform ausgegangen war.
    Kessel, wie ich sie kannte, waren aus Metall, aber hier auf Avalon schien es das Material nicht zu geben. Jedenfalls sah dieser Kessel anders aus.
    Der Vergleich mit einer im Grund eingelassenen Mulde stimmte.
    Sie war ziemlich groß, zeigte eine runde Form und war auch mit einer Masse gefüllt, von der wir allerdings kaum etwas sehen konnten, weil über die Oberfläche hinweg Nebelschwaden trieben, deren Wolken uns einen großen Teil der Sicht nahmen.
    Der Nebel sonderte keinen Geruch ab. Mir kam er neutral vor. Unter ihm sahen wir hin und wieder die dunkle Oberfläche einer uns unbekannten Flüssigkeit.
    Woraus mochte sie bestehen?
    Kara beschäftigte sich mit dem gleichen Gedanken wie ich. »Was kann das sein?« fragte sie.
    Ich hob die Schultern.
    »De Lacre müßte es wissen.« Sie drehte sich um, weil sie den Riesen fragen wollte, der aber hatte sich längst zurückgezogen. Nur wegen seiner Größe konnten wir ihn noch in der Ferne erkennen, wo er stand und seiner Funktion als Wächter genügte.
    »Wir sind auf uns allein gestellt!« flüsterte Kara. »Niemand wird uns mehr helfen.«
    »Ein Tropfen Ewigkeit«, flüsterte ich.
    »Ja – möglich.« Kara führte die freie Hand an ihre Stirn, wo sich der Tropfen abmalte. Für einen Moment schloß sie die Augen. Ich ließ sie in Ruhe, weil ich wußte, daß sie sich vor dem großen Ereignis noch konzentrieren mußte.
    Ich hätte es auch tun sollen, nur klappte es bei mir nicht. Das war einfach nicht möglich. Meine innere Nervosität war zu groß, denn ich konnte nicht einmal ruhig stehen.
    Das Kribbeln lief bei mir bis in die Fingerspitzen hinein. Ich merkte, daß mein Nacken feucht war und sich dieser Schweiß wie ein Tuch um den Hals geschlungen hatte. Wenn ich Atem holte, hatte ich den Eindruck, würgen zu müssen.
    Kara ließ den Tropfen los. Ihre Hand sank sehr langsam nach unten. Über den Nasenrücken hinweg glitt ihr Finger, dann fiel die Hand nach unten. Kara nickte.
    »Bist du bereit?« fragte ich.
    »Ja.«
    »Dann laß uns gehen!«
    Und wir gingen…
    ***
    Die Oberfläche der Masse innerhalb des geheimnisvollen Kessels
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