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0621 - Weckt die Toten auf!

0621 - Weckt die Toten auf!

Titel: 0621 - Weckt die Toten auf!
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Verstehen hätte beitragen können, schien abgestorben zu sein.
    ***
    Pablo Escanderon folgte Rosita. Er machte sich nicht die Mühe, unbemerkt zu bleiben, sondern schloß ziemlich rasch zu ihr auf. Je länger er sie beobachtete, desto sicherer wurde er, daß sie es war.
    Aber wer, bei allen Heiligen, lag dann in ihrem Grab?
    Und wo hatte sie in den letzten Tagen und Wochen gesteckt?
    Sie sah nicht danach aus, als ob es ihr besonders gut ginge. Sie wirkte ungepflegt, und der graue, schmutzige Kittel, den sie trug, glich einem Totenhemd.
    Sekundenlang durchzuckte der aberwitzige Gedanke Pablo, es sei wirklich ihr Totenhemd, und sie sei aus der Gruft geklettert und zu den Lebenden zurückgekehrt. Aber solche Wunder ereignen sich seltener als alle zweitausend Jahre, und schon gar nicht in Rio de Janeiro.
    Pablo schnupperte. Von Rosita ging ein seltsamer Geruch nach Fäulnis aus. Er kam sicher von diesem verdreckten Kittel. Sie sollte ihn schleunigst loswerden und etwas Richtiges anziehen.
    Plötzlich blieb sie stehen und wandte sich langsam um.
    Auch Pablo hielt inne.
    Die schmale Gasse war menschenleer. Nur ein paar Dutzend Meter weiter pulsierte das Leben der Großstadt, aber hier war nicht einmal viel von dem Lärm zu hören. Umgekehrt ist es genauso - drüben in den belebten Straßen hört man keinen Todesschrei, der hier verhallt.
    Es waren eigenartige Gedanken, die Pablo gar nicht gefielen.
    »Rosita?« sprach er das Mädchen an. »Bist du es wirklich?«
    Ihr Blick wurde etwas klarer, so, als habe sie bisher hinter die Welt geblickt und sähe jetzt erst richtig, was sich unmittelbar vor ihr befand. Es berührte ihn eigenartig.
    »Ja«, hörte er sie leise sagen. »Du bist - du bist Pablo.« Es war mehr eine Frage als eine Feststellung.
    »Wo hast du so lange gesteckt? Ich dachte, du wärest tot. Alle dachten es. Was ist passiert?«
    »Ich lebe«, sagte sie.
    »Komm mit zu mir«, bat er. »So, wie du aussiehst, ist es fürchterlich. Du brauchst ein Bad und ein hübsches, sauberes Kleid. Und«, er lächelte, »einen Haarschnitt. Das ist ja gewuchert… oder trägst du eine Perücke, damit niemand dich erkennt?«
    Sie sah ihn erstaunt an.
    »Na, komm einfach mit«, forderte er. »Ich helfe dir, wieder etwas menschenähnlicher zu werden, ja?«
    »Menschenähnlicher«, echote sie. »Ich bin doch ein Mensch. Oder… nicht…?«
    »Natürlich.« Er lachte, und ungeachtet des Gestanks nahm er sie in die Arme und küßte sie. Unter dem fadenscheinigen Kittel spürte er ihren warmen Körper. Jäh drängte sie sich eng an ihn, umklammerte ihn wie eine Ertrinkende, und sie erwiderte seinen Kuß mit einer Leidenschaft, wie er sie bei ihr früher nie erlebt hatte. Sie schien ihn gar nicht mehr loslassen zu wollen, wollte ihm nicht einmal ein paar Sekunden zum Atmen gewähren. Schließlich mußte er die Umarmung fast gewaltsam lösen und japste nach Luft.
    »Oha«, ächzte er. »Du bist aber stürmisch geworden. Bist du sicher, daß du immer noch mit einem anderen verlobt bist?« Dabei zwinkerte er ihr zu.
    Ihr Kittel war bei der heftigen Umarmung an verschiedenen Stellen zerrissen. Die dünnen Stoffasern hatten der Beanspruchung nicht standhalten können. Rositas Haut schimmerte verlockend durch.
    Er überlegte. Dann zog er sein Hemd aus.
    »Schmeiß den Kittel weg«, sagte er. »Der stinkt ja, als wäre eine Leiche tagelang darin eingewickelt gewesen. Zieh das Hemd an, ja? Es müßte lang genug sein. Dann gehen wir zu mir, und du nimmst ein Bad, und…«
    »Seit wann hast du eine Badewanne?« fragte sie.
    Er lachte. »Ich nicht, aber das Zimmer, in dem wir heute wohnen werden. Es ist ein Hotelzimmer, verstehst du?«
    Er griff in die Hosentasche und zog einen Schlüssel hervor. »Habe ich heute nachmittag einer Touristin abgenommen. So wie die aussieht, landet sie heute Nacht in allen möglichen Betten, nur nicht in dem in ihrem Hotelzimmer. Wir müssen nur so ins Haus gelangen, daß niemand sieht, daß wir nicht hineingehören. Einmal ein wenig im Luxus schwelgen, das ist doch was, oder?«
    »Ja«, sagte sie.
    Sie streifte den stinkenden Kittel ab, der dabei noch weiter zerriß. Sekundenlang sah Pablo ihren wunderschönen nackten Körper. Dann schlüpfte sie in sein Hemd und knöpfte es zu. Es war tatsächlich gerade eben lang genug, um ihre Blößen zu bedecken, hätte keinen Zentimeter kürzer sein dürfen. Pablo lächelte.
    »Du siehst wunderbar aus wie immer«, sagte er. »Aber… du hattest doch einen Unfall, nicht wahr?
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