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060 - Trip in die Unterwelt

060 - Trip in die Unterwelt

Titel: 060 - Trip in die Unterwelt
Autoren: Dämonenkiller
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rätselhafte Antwort gegeben. Sie sagte, sie könnte Dinge sehen, die ich nicht sehen konnte. Hatte sie gewusst, was die Maskierten vorhatten?
    Warum wussten alle anderen von den Seelenkristallen – nur ich nicht?
    Noch einmal erlebte ich, wie ich durch die Macchia flüchtete, hörte noch einmal den Schrei des sterbenden Tieres und erwachte, weil mich eine Hand an der Schulter rüttelte.
    »Aufwachen!«
    Ich hatte den bitteren Geschmack des Grappas auf den Lippen. Als ich mich aufrichtete und die Augen öffnete, starrte ich in Fortunatos Gesicht.
    »Schnell, Arnoldo!«, sagte er drängend. »Aio anda!«
    Das bedeutet so viel wie: »Gehen wir schnell, los!«
    Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Was ist denn? Ich bin eben erst eingeschlafen.«
    »Es ist morgens acht Uhr. Nehmen Sie den Wagen und hauen Sie ab! Los! Aio! Die Carabinieri sind auf dem Weg hierher.«
    Ich rieb mir die Augen. Flüchtig fielen mir die Bestandteile des wirren Traumes ein, und schlagartig erinnerte ich mich an alles, was ich erlebt hatte, und ebenso schlagartig war die Furcht wieder da, die Angst vor dem Unheimlichen, Unbekannten.
    Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Das Gesicht des Nachtportiers war eine Maske. Ich kannte die Sarden gut genug, um zu wissen, dass es aussichtslos war, mit ihnen debattieren zu wollen.
    »Aber ich will ja mit ihnen sprechen. Helfen Sie mir beim Übersetzen?«
    Er schüttelte entschieden den Kopf. »Ich will nicht, dass man Sie und mich zusammen sieht, Arnoldo. Sie sind gezeichnet. Ich bin zu alt und habe keine Lust, mich da mit hineinziehen zu lassen. Hier! Der Pullover ist trocken. Nehmen Sie ihn! Sie haben Ihren Autoschlüssel an der Rezeption liegen gelassen. Flüchten Sie, ehe es zu spät ist!«
    Ich war unausgeschlafen, aber ich reagierte so, wie er es wollte. Ich knöpfte das Hemd zu, zog den Pullover an, nahm den Schlüssel und sah Fortunato an. Er deutete den Blick richtig.
    »Sie müssen verstehen. Hier im Hotel verdiene ich zum ersten Mal richtig. Ziehen Sie mich nicht in diese Geschichte mit hinein!«
    Ich winkte ab. Er war ein armer Fischer gewesen, und erst seit der Tourismus in diesem Gebiet von Jahr zu Jahr wuchs und zunahm, ging es ihm besser. Ich wollte ihn wirklich nicht mit hineinziehen – was immer er auch damit meinte.
    Ich dachte an das Eselsblut und schüttelte mich. »Schon gut. Ich verstecke mich woanders.«
    Er nickte müde.
    »Ich weiß, wohin ich gehe«, sagte ich. »Und irgendwann komme ich zurück und schreibe das alles auf. Es ist zum Verrücktwerden.«
    Ich ging hinaus und blieb neben dem kleinen, gelben Wagen stehen. Der Wind heulte noch immer um die Hausecken und wirbelte in den schmalen Gassen Staub und Sand auf. Der Himmel war wolkenlos. Hartes Morgenlicht überflutete die erwachende Siedlung. Irgendwo plärrte ein Transistorradio.
    Ich schloss die Tür auf und startete. Dann – ganz unvermittelt fiel mir das Schiff ein. Die Jacht.
    »Das ist ein Platz, an dem mich niemand finden wird«, sagte ich laut, wendete und fuhr in die Richtung des kleinen Hafens von Cannigione, wo die große, weiße Jacht Colombo lag. George von Loewenstein würde mich vielleicht verstehen. Er hatte mit seinem Schiff und seiner Mannschaft Sardinien schon besucht, als hier noch niemand an Tourismus dachte. Das Schiff hatte Schutz im Hafen gesucht. Bei einem Mistral dieser Stärke war es Selbstmord, die Bucht von Arzachena zu verlassen.
    Ich wurde schneller, dachte nicht einmal daran, dass ich nichts gegessen hatte, und irgendwie gelang es mir, einen Teil der Beklemmung abzuschütteln. Dann fielen mir die verdammten Kristalle wieder ein. Plötzlich brannten sie wie glühende Kohlen in meiner Tasche. Es wäre am einfachsten gewesen, sie aus dem Wagenfenster zu werfen und alles zu vergessen; es war ein Fehler, dass ich dies nicht augenblicklich tat.

    Kurz nach der Kreuzung, an der links die Straße nach Cannigione abzweigte, trat ich vorsichtig auf die Bremse, kuppelte aus und versuchte, mir eine Zigarette anzuzünden. Ich fand das Feuerzeug. Die Zigarette brannte, ich begann wie jeden Morgen zu husten. Nach einem Blick auf die Berge hinter Arzachena – in den meistenteils unbekannten Höhlen hatten die Steinzeitmenschen Riesensteine aufgetürmt und Höhlengräber angelegt – fuhr ich wieder weiter. Der Wagen wurde schneller. Ich schaltete hastig und unkonzentriert. Das Lenkrad schien plötzlich Eigenleben zu entwickeln. Der Fiat raste mit schrecklich heulendem Motor auf der Mittellinie
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