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060 - Trip in die Unterwelt

060 - Trip in die Unterwelt

Titel: 060 - Trip in die Unterwelt
Autoren: Dämonenkiller
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die Frauen, die Mädchen, die Treue und die Jungfräulichkeit der Mädchen vor der Ehe.
    »Wirklich weggesteckt? Sie dürfen sie niemals ansehen.«
    »Ja«, wiederholte ich ungeduldig. »Sie sind in meiner Hosentasche, Fortunato.«
    Endlich nahm er die Hände von den Augen und sah mich an, wie jemand einen verabscheuungswürdigen Kinderschänder ansehen mochte. Wir kannten uns ziemlich gut, aber jetzt wurden wir uns im Verlauf von wenigen Sekunden absolut fremd. Ein ahnungsloser Mann ohne das Gespür für die Dinge, die aus grauer Vorzeit noch heute hier umherspukten, war in eine Welt eingebrochen, die offensichtlich Zauberei, alte Bräuche und die geistige Hinterlassenschaft der Steinzeitmenschen übernommen hatte, jener Steinzeitmenschen, von denen die über siebentausend Nuraghen der Insel gebaut worden waren; Nuraghen – jene steinernen Türme, Stumpfkegel, burgenartigen Rundhäuser mit Mauern und Pferchen, die an heiligen Quellen oder an gewöhnlichen Quellen für das Vieh standen. Obwohl vierunddreißig Kilometer von hier entfernt, in Olbia, auf dem Aeroporto Costa Smeralda die DC-9 landete, herrschten hier noch immer die Gesetze und magischen Riten aus der Zeit, in der die Phönizier hier anlegten und die Karthager die schönsten Frauen als Sklavinnen wegschleppten.
    »Ich brauche noch einen Grappa, Fortunato«, sagte ich.
    Mir war wie einem Ertrinkenden oder besser Erstickenden zumute.
    »Ich verstehe«, sagte er und schlurfte, nachdem er mich prüfend angesehen hatte, in Richtung Bar davon.
    Er wusste, dass ich nicht dumm war und vielleicht begreifen würde. Hatte ich aber wirklich die volle Tragweite dessen begriffen, was ich erlebt hatte?
    Er kam mit dem Grappa zurück und stellte das Glas vor mich hin.
    »Sie sollten Ihre Schreibmaschine nehmen und die Insel verlassen. Sie stecken schon tief in dieser schauerlichen Sache drin, mein Freund«, sagte er, und mir war klar, dass er viel mehr wusste, als er auszusprechen in der Lage war.
    »Ich denke nicht dran«, protestierte ich schwach. »Ich bin erst seit ein paar Tagen hier und habe eine Unsumme für die Miete bezahlt. Ich bleibe hier.«
    Er grinste kalt und entgegnete leise. »Das andere – dort draußen im Maestrale und bei Vollmond – ist stärker.«
    »Das andere?«
    »Dieses Blut. Das Blut des toten Esels. Sie sind gezeichnet, Arnoldo. Jeder, der sich mit Ihnen abgibt, ist gezeichnet. Sie sind zum Gezeichneten und Gehetzten geworden, mein junger Freund, weil Sie sich dem Gericht der Maskierten, den Dämonentänzern, entzogen haben. Ich kann nicht mehr sagen, darf nicht mehr sagen, weil sie mich sonst auch holen und brandmarken. An Ihnen, Arnoldo, haftet der Geruch eines Verdammten.«
    »Fortunato«, erklärte ich leise, »Sie sind verrückt. Wir leben in einem aufgeklärten Jahrhundert.«
    »Sie sind müde. Schlafen Sie erst einmal! Trinken Sie den Grappa aus und reisen Sie ab! Ich werde morgen der Polizei erklären, was vorgefallen ist. Der Brigadiere ist mein Freund.«
    Ich trank den Grappa aus und begann mich richtig elend und verlassen zu fühlen. Dann schwirrten plötzlich meine Gedanken zurück zu Angela und dem kleinen Bauernhaus mit dem prasselnden Kaminfeuer. Ich musste dorthin zurück und weiterschreiben; ich kannte jetzt den besten, den einzig richtigen Anfang; ich würde ein erstklassiges Manuskript daraus machen.
    Störrisch schüttelte ich den Kopf. »Ich muss alles noch einmal durchdenken, Fortunato. Jetzt gehe ich erst mal schlafen. Danke für den Grappa! Nein, geben Sie sich keine Mühe! Ich finde das Bett allein.«
    Ich ging den halbdunklen Gang hinunter und warf mich in dem leeren, warmen Zimmer auf das Bett. Und plötzlich war ich in einer Verfassung, die mich alles glauben ließ. Ich schlief jedoch mit dem Bewusstsein ein, dass sich morgen im hellen Tageslicht alles ändern, alles klären würde.

    Vielleicht war das ganze irrsinnige Spektakel nur von Banditen oder der Mafia inszeniert worden, um mich wahnsinnig zu machen? Warum gerade mich? Ich war alles andere als ein reicher Mann. Ich lebte davon, dass ich Geschichten erfand, sie in Worte kleidete und niederschrieb. Diesmal brauchte ich nicht zu erfinden. Aber zuerst musste ich aus dieser makabren Sache herauskommen, dann würde ich zurückgehen zu meiner Maschine und schreiben.
    Angela erschien im Traum vor mir. Einmal hatte ich sie trösten wollen und ihr gesagt, dass ihre Blindheit vielleicht mit einer Hornhautverpflanzung zu heilen wäre. Sie hatte schon damals eine
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