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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht
Autoren: Karl May
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famose Gäste mit.“
    „Wen denn?“ fragte ein fette Stimme.
    „Zwei Studenten aus Bayern oder anderswo, die für die Nacht gern ein warmes Nest haben möchten.“
    „Studenten? Halloh, herein mit ihnen! Für solche Herrschaften habe ich soviel Nester, wie sie sich nur wünschen können. Ubi bene, ibi patria!“
    Wir traten in die Stube, die ziemlich groß aber niedrig war. Links stand eine Frau beim Butterfaß. Sie hatte ‚gebuttert‘ und war nun beschäftigt, die Buttermilch – meine Wonne! – durch ein Seihtuch zu gießen. Das war die Wirtin. Rechts von der Tür saßen einige Männer gewöhnlichen Schlages beim billigen böhmischen Schankbier. Aber der Tür gegenüber gab es einen großen runden Tisch, an welchem einige Personen, denen man die Honoratioren ansah, Platz genommen hatten. Einer von ihnen war aufgestanden und sah uns erwartungsvoll entgegen. Ich konnte gar nicht bezweifeln, daß er der Franzi war. Ja, er mußte vor Jahren ein fescher Bursche gewesen sein; noch jetzt trug er sein glänzend eingefettetes dunkles Haar in verlockend gelegte Ringel. Eine blütenweiße Schürze bedeckte den Schmerbauch; über den Latz derselben thronte eine fast quatschelige Unterkehle, die in ein glattrasiertes, volles und rotwangiges Gesicht überging, in welchem wohlwollende Heiterkeit ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Als der Blick der freundlichen Augen kurz auf uns geruht hatte, kam der Mann vollends hinter dem Tische hervor, streckte uns die Hand zum Gruße entgegen und sagte:
    „Ja, man sieht es der ganzen vornehmen Haltung an, daß Sie Studenten, wirkliche, echte Studenten sind. Seien Sie uns willkommen; setzen Sie sich hier bei uns an diesem Tische nieder, und sagen Sie, wozu Sie Appetit haben!“
    Ich schüttelte ihm die Hand und antwortete unverzüglich mit dem ernstesten Gesichte der Welt:
    „Ich bitte, nicht verkehrt zu fragen – – und will die Wahrheit Ihnen sagen: – – Wir haben, wie ein jeder sieht – – Nicht Appe- sondern Trinketit!“
    Der liebe Franzi fuhr zwei Schritte zurück, riß die Augen weit auf und fragte ganz erstaunt:
    „Wie – – wa – – was? Appe – – Trinke – – tit – – tit – –? Sie meinen, daß Sie nicht essen sondern trinken wollen? Gut! Was darf ich bringen?“
    „Es läuft aus diesem großen Faß – – hervor ein delikates Naß, – – das in der Stadt und auf dem Land – – als Buttermilch ist weltbekannt; – – wir wollen weder Bier noch Wein; – – schenkt uns davon zwei Gläser ein!“
    „Faß – – – Naß – – – Land – – – kannt – – – Wein – – – ein – – –? Hören Sie, sagen Sie: Sie sind wohl gar ein Dichter, ein wirklicher, unzweifelhafter, ausgebildeter Dichter?!“
    „Ich bin ein Dichter, aber nicht – – für jeden mach ich ein Gedicht, – – doch unsers guten Franzis wegen, kann man sich schon aufs Dichten legen, – denn er ist ein gar kluger Mann, – – der diese Kunst begreifen kann; – – drum gebt das Glas mit Milch jetzt her; – – auf Franzis Wohl trink ich es leer!“
    Zu meiner Freude fiel Carpio auch schnell ein:
    „Auch ich trink bis zum Boden aus, – – zum Gruß dem Wirt und seinem Haus, – – und tu ich das um seinetwillen, – – so mag er es auch wieder füllen!“
    Wir tranken aus und gaben ihm die Gläser zurück. Er schien das große Glück, unsere Bekanntschaft machen zu dürfen, immer noch nicht ganz begreifen zu wollen; dann aber warf er die leeren Gläser plötzlich in die Ecke auf das Kanapee, nahm uns bei den Händen, zog uns zum Tisch hin und rief:
    „Ach was, Buttermilch! Wein her, Wein! Fama crescit fundo! So eine Überraschung, so eine Freude! Hol Wein, Anna, Wein! Ich weiß, was man so geistreichen Herren vorzusetzen hat! Setzen Sie sich nieder, immer nur nieder, denn wissen Sie, habenti dabitur et abundabit!“
    Ich setzte mich zwar, wehrte aber ab:
    „Oh nein, bringt ja noch keinen Wein; – – es darf nur Buttermilch jetzt sein, – – doch ist der erste Durst gestillt, – – dann sind wir auch zu Wein gewillt!“
    „Na, dann meinetwegen Buttermilch, wenn es denn nicht anders sein darf; aber später müssen Sie mir erlauben, Sie als meine ganz besonderen und persönlichen Gäste zu betrachten! Zu bezahlen haben Sie natürlich nichts, keinen Kreuzer, ganz und gar nichts!“
    Carpio warf mir einen Blick zu, und als ich diesen nicht beachtete, versetzte er mir einen
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