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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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Moment, als seine Kutsche wieder in die Clarges
Street einbog, »diese Diener werde ich auf der Stelle entlassen! So eine
Unverfrorenheit habe ich noch nie erlebt.«
    »Überstürzen Sie nichts, Mylord«,
murmelte Fergus. »Es kann sich ja um einen Notfall gehandelt haben.«
    »Und welcher Notfall«, sagte der
Herzog in einem Ton, der nichts Gutes verhieß, »könnte meine Rückkehr
überschatten?«
    Fergus unterdrückte einen Seufzer.
Er hatte oft das Gefühl, dass sein Herr sich durch seine Überheblichkeit um die
Zuneigung der netteren und freundlicheren Leute brachte.
    Nummer 67 war ein typisches Londoner
Stadthaus aus dem achtzehnten Jahrhundert. Es war hoch, schmal und schwarz. An
die Eingangsstufen waren zwei eiserne Hunde gekettet, die normalerweise den
einzigen Schmuck der strengen Fassade bildeten — nicht so am heutigen Tag.
    Heute hing nämlich aus den Fenstern
im ersten Stock ein Transparent herab, auf dem stand: WILLKOMMEN ZU HAUSE, EUER
GNADEN. Die Haustür stand offen, und auf den Stufen, die zu ihr hinaufführten,
wartete ein schmucker Butler in schwarzgoldener Livree.
    »Sieht so aus, als ob die Diener Sie
jetzt doch erwarten«, sagte Fergus.
    »Wir werden sehen«, sagte der
Herzog. »Bring die Kutsche in den Stall und komm dann wieder zu mir.«
    Er schritt die Stufen hinauf und in
die Halle. Rainbird schoss an ihm vorbei und hielt ihm die Tür zum vorderen
Salon auf. Auf einem glänzend polierten Tisch standen Wein, Kuchen und Gebäck
bereit. Sämtliche Vasen waren mit Rosen gefüllt, und ihr sommerlicher Duft
vermischte sich angenehm mit dem anheimelnden Geruch nach Bienenwachs, der den
Möbeln, und dem Zucker- und Essiggeruch, der den Salbentöpfen in den Zimmerecken
entströmte.
    Rainbird verbeugte sich tief und
lächelte seinen Herrn an. Dann schnippte er mit den Fingern, und einer nach dem
anderen kamen die übrigen dienstbaren Geister hinein und stellten sich vor dem
Herzog auf.
    Der Herzog schaute jedem von ihnen
ins Gesicht. Die Haushälterin, Mrs. Middleton, war die erste, die vorgestellt
wurde. Sie sah zu Tode erschrocken aus, und ihr Kaninchengesicht unter der
riesigen gestärkten Leinenhaube zuckte ängstlich. Als nächster war MacGregor,
der Koch, an der Reihe, dessen feuerrotes Haar unter der Kochmütze funkelte und
dessen Augen fast viel Arroganz ausstrahlten wie die des Herzogs. Joseph machte
als nächster seinen Diener, einen großartigen Hofdiener, begleitet vom
heftigen Schwenken eines parfümierten Spitzentaschentuchs. Dann knickste ein
Hausmädchen, eine lässige blonde Schönheit — Alice. Jenny, das Stubenmädchen,
machte einen ruckartigen schnellen Knicks. Lizzie, das Küchenmädchen, schaute
mit großen, sanften braunen Augen zu dem Herzog auf, als ob sie um Gnade bitten
wollte. Der Spüljunge Dave verbeugte sich und zog dabei an seiner Stirnlocke;
dann schaute er sich um, als wünschte er, er könnte seine verhutzelte kleine
Cockney-Gestalt unter einem der Tische verbergen.
    »Warum waren Sie nicht hier, als ich
vor einiger Zeit geläutet habe?« fragte der Herzog.
    »Wir haben an speziellen
Vorbereitungen für den Empfang von Euer Gnaden gearbeitet«, sagte Rainbird.
»Mr. Palmer hat uns mitgeteilt, dass Sie nicht vor übermorgen erwartet würden.
Wir waren deshalb alle beim Einkaufen von Kleinigkeiten, mit denen wir Sie
willkommen heißen wollten.« Er machte eine Handbewegung, die die Blumen, das
Gebäck und den Wein umfasste.
    »In Zukunft«, sagte der Herzog
eisig, »erwarte ich, dass Sie bei Tag und Nacht zu meiner Verfügung stehen.
Kein Diener verlässt das Haus ohne meine ausdrückliche Erlaubnis. Habe ich mich
klar ausgedrückt?«
    »Ja, Euer Gnaden.«
    Der eisblaue Blick des Herzogs fiel
auf Lizzies Gesicht. Die Augen des Küchenmädchens waren feucht vor
Schreckenstränen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der Herzog das Gefühl,
dass er ein grober Klotz sei.
    Die Willkommensflagge hatte ihn
außerordentlich überrascht. Er war noch nie willkommen geheißen worden. Die
Diener waren immer ängstlich und verhielten sich korrekt, wenn er auf einem
seiner Güter auftauchte, aber sie hatten sich noch nie über die reine
Pflichterfüllung hinaus irgendwelche Mühe gegeben.
    Er lächelte plötzlich. »Ich freue
mich sehr, Rainbird, über Ihre Bemühungen, mich willkommen zu heißen. Ich werde
heute abend hier speisen. Jetzt möchte ich mich umziehen und in meinen Club
gehen.«
    »Jawohl, Euer Gnaden.«
    »Und Sie, Mrs. Middleton, zeigen mir
mein Zimmer.«
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