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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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nur
zugehört hatte, wenn es sie selbst betraf.
    Ein älterer Butler kam in gebückter
Haltung herein. Er trug schwer an einem großen Silbertablett, auf dem sich eine
Teekanne, heißes Wasser, Milch, Zuckerstücke, dünne Scheiben Toast und Butter
und Pflaumenkuchen befanden.
    »Haben Sie irgendwelchen Klatsch zu
berichten, Giles?« fragte Mrs. Freemantle.
    Giles richtete seinen Körper mit
langsamer, knarrender Bewegung auf, als ob er erst eine Reihe von Muttern und
Bolzen Lockern müsste. »Ja, Madam«, sagte er. »Die sonderbaren Diener von
Nummer siebenundsechzig haben ein Boot mit in den Park genommen, um es segeln
zu lassen, als ob sie Kinder wären. Vor ein paar Minuten ist der Herzog von
Pelham angekommen und war furchtbar wütend, als er feststellen musste, dass ihm
niemand die Haustür öffnete. Er ist zu seinem Verwalter gefahren, um die
Hausschlüssel zu holen, und hat laut verkündet, dass er jeden Diener persönlich
auspeitschen wird, wenn sie zurückkommen.«
    »Ist Giles nicht wunderbar?« dröhnte
Mrs. Freemantle. »Viel besser als die täglichen Gesellschaftsspalten. Das ist
alles, Giles.«
    Jenny war erschüttert. Lady Letitia
nahm sofort den Gesprächsfaden da wieder auf, wo sie ihn fallengelassen hatte,
und erwähnte nicht, dass sie den Herzog kennengelernt hatten, diesen
abscheulich anmaßenden Mann. Jenny dachte mit Verwunderung an die »Familie«,
die sie im Park gesehen hatte. Das waren also Diener! Sie waren so glücklich
und sorglos und ahnten nicht, dass sie schon so bald von diesem Ungeheuer
ausgepeitscht werden sollten.
    »Ich würde gerne auf mein Zimmer
gehen, Mrs. Freemantle, und mein Gesicht mit Wasser benetzen«, sagte Jenny
plötzlich.
    »Natürlich, mein Kind«, rief Mrs.
Freemantle. »Komm wieder zu uns herunter, wenn du dich erfrischt hast.« Sie
klingelte mit der Glocke neben ihrem Stuhl, einer riesigen Messingglocke, und
als Giles erschien, trug sie ihm auf, Miss Jenny nach oben zu bringen. Jenny
fragte sich, ob Mrs. Freemantle keine anderen Diener hatte.
    Giles führte sie eine dunkle schmale
Treppe in den zweiten Stock hinauf und öffnete eine knarzende Tür. Jennys
Schlafzimmer ging nach hinten hinaus. Sie sah sich entsetzt in dem vollgestopften,
modrig riechenden Raum mit seinem riesigen Himmelbett, das fast das ganze
Zimmer einnahm, um, dankte Giles schwach und wartete, bis er draußen war.
    Sobald er gegangen war, öffnete sie
vorsichtig die Tür und schlich leise die Treppen wieder hinunter. Warum sich
Jenny plötzlich, zum ersten Mal in ihrem selbstsüchtigen Leben, um das
Wohlergehen anderer Gedanken machte, wäre ihr selbst ein Rätsel gewesen, wenn
sie sich die Zeit genommen hätte, darüber nachzudenken. Aber das tat sie nicht.
    Sie erreichte die Halle, ohne
irgendwelchen Dienern zu begegnen. Aus dem vorderen Salon drang die überaus
angeregte Stimme ihrer Gastgeberin in voller Lautstärke zu ihr heraus. Leise
öffnete sie die Haustür und schlüpfte auf die sonnige Straße hinaus. Einen
ängstlichen Blick über die Schulter werfend, um sich zu vergewissern, dass sie
der schreckliche Herzog von Pelham nicht etwa beobachtete, rannte Jenny
schnell auf den Green Park zu — was schon für sich genommen etwas ganz Neues
war, denn Jenny ging sonst immer langsam und graziös.
    Die Diener von Nummer 67 hatten sich
am Rand des Staubeckens niedergelassen und verzehrten ihr Picknick. Jenny
wandte sich unwillkürlich an Rainbird als den würdigsten, obwohl er keine
Livree trug.
    »Beeilen Sie sich!« rief sie. »Ihr
Herr, der Herzog von Pelham, ist zurückgekommen. Er ist zu seinem Verwalter
gefahren, um die Hausschlüssel zu holen, und er hat gedroht, Sie alle auszupeitschen.«
    »Vielen Dank, Miss«, sagte Rainbird.
»Schnell, beeilt euch. Weg hier!«
    Jenny spürte ein seltsames
Verlangen, zu bleiben und zu helfen. Aber die Ungeheuerlichkeit dessen, was
sie getan hatte, stürmte auf sie ein. Sie, die drauf und dran war, die Königin
der Londoner Gesellschaft zu werden, stand mit Dienern im Green Park herum!
    Sie raffte die Röcke und rannte, so
schnell sie konnte, zurück zu Mrs. Freemantle. Erst vor der Tür zum Salon hielt
sie inne, um wieder zu Atem zu kommen, bevor sie ihre Röcke glattstrich und
ruhig und gesetzt das Zimmer betrat, wie es sich gehörte.
    Sie setzte sich still hin, trank
ihren Tee und bekämpfte den Wunsch, vor die Haustür zu treten und zu versuchen
herauszufinden, was geschah.
    »Eins sage ich dir, Fergus«, drohte der
Herzog von Pelham in diesem
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