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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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»Jawohl, Euer Gnaden«, sagte Mrs. Middleton mit zitternden
Lippen.
    »Meine liebe Frau«, sagte der
Herzog, dessen Stimme jetzt schon viel gütiger klang, »ich fresse Sie nicht.
Gehen Sie voran.«
    Mrs. Middleton ging vor ihm die
Treppe hinauf. »Ich habe für Euer Gnaden dieses Zimmer herrichten lassen«,
sagte sie und stieß eine Tür auf. »Es ist das größte Schlafzimmer. Das Speisezimmer
befindet sich daneben. Wenn Euer Gnaden Gäste haben, dann stehen einen Stock
über uns noch zwei Schlafzimmer bereit.«
    Der Herzog betrat das Zimmer und
schaute sich um. Am Toilettentisch, auf dem drei verschiedene Seifensorten
lagen — irische, Bristol- und Windsorseife —, hingen dicke flauschige Handtücher.
Auf einem Tisch neben dem Bett befand sich ein erlesenes kleines
Blumenarrangement aus weißen Rosen und Kletterfarn. In der Mitte des Zimmers
lagen auf einem anderen Tisch die neuesten Magazine — Literatur- und
Sportzeitschriften — bereit.
    Die frische weiße Bettwäsche duftete
zart nach Lavendel, und die Bettdecke war einladend zurückgeschlagen.
    »Wahrhaftig«, sagte der Herzog, »mit
Dienern wie Sie, Mrs. Middleton, braucht ein Mann sich nicht nach einer Frau
umzusehen, damit sein Haus eine zarte, weibliche Note bekommt!«
    »Und ihr müßt zugeben«, sagte Mrs.
Middleton später in der Gesindestube, »dass sich kein Diener ein schöneres
Kompliment wünschen könnte.«
    »Dieser Palmer!« schimpfte Joseph.
»Das hat er absichtlich gemacht — uns zu sagen, der Herzog kommt erst in ein
paar Tagen!«
    »Ja«, stimmte ihm Rainbird zu. »Und
wir wären ganz schön in Bedrängnis geraten, wenn uns die Miss nicht gewarnt
hätte.«
    »Wer sie wohl war?« fragte Lizzie.
»Sie war ja so hübsch. Eine wirkliche Dame!«
    »Quatsch!« sagte der kleine Dave.
»Wirkliche Damen würden sich doch nicht so eine Mühe machen!«
    »0 doch«, meinte Rainbird. »Es sind
die Möchtegern-Damen, die sich keine Gedanken um Diener machen.«

Drittes Kapitel

    »Und jetzt, liebe Agnes«, sagte Lady
Letitia beherzt wie jemand, der eine lange und überaus befriedigende
Unterhaltung abschließt, »müssen wir den Boden für die kleine Jenny bereiten,
damit sie Zutritt zu den besten Häusern bekommt.«
    »Ich habe mich schon an die Arbeit
gemacht«, dröhnte Mrs. Freemantle. »Clarinda Bessamy — du weißt schon, eine von
den Bessamys aus Kent — gibt ein kleines, intimes Fest. Sie hat zu mir gesagt,
falls ihr rechtzeitig ankommt, soll ich gar keine Umstände machen und dich und
deine Nichte einfach mitbringen. Es wird sich um eine bescheidene kleine
Gesellschaft handeln, aber man wird Karten spielen, und die jungen Leute können
tanzen.«
    »Ausgezeichnet!« sagte Lady Letitia.
»Und wann findet diese Gesellschaft statt?«
    »Heute abend schon.«
    »Es könnte gar nicht besser passen.
Jenny hat ein paar sehr schöne Kleider und wird nicht provinziell wirken. — Du musst
hinaufgehen und dich hinlegen, Jenny, damit du dich vor deiner ersten Londoner
Verpflichtung noch etwas ausruhst.«
    Jenny verließ das Zimmer und
versuchte, dabei nicht ganz so missgelaunt auszusehen, wie sie sich fühlte. Wie
sollte sie je ihren Traum verwirklichen, von Lord Paul umworben zu werden und
den Herzog von Pelham verächtlich von oben herab zu behandeln, wenn sie nicht
in denselben Kreisen verkehrte? Mrs. Freemantle ist eine exzentrische
Vogelscheuche, sagte sich Jenny voller Selbstmitleid, als sie die Stufen
hinaufstieg. Lady Letitia, die auf dem Land so mondän und elegant gewirkt
hatte, musste doch schrecklich provinziell sein, wenn sie eine solche Freundin
hatte.
    Urplötzlich müde von der Reise,
kletterte Jenny in ihr Bett und war fest entschlossen, am Abend zu behaupten,
sie habe Kopfschmerzen und könne an dem Fest dieser Mrs. Bessamy nicht
teilnehmen.
    Doch dann saß sie aufrecht im Bett,
die Hände gegen die bleichen Wangen gepresst und schrie aus vollem Halse.
    Cooper, die Kammerzofe, kam herbeigerannt.
Mit aschgrauem Gesicht deutete Jenny auf das Fußende des Bettes. Mit dem
Feuerhaken in der Hand, falls es sich um eine Ratte handeln sollte, näherte
sich das Mädchen vorsichtig dem Bett, lugte um die Bettvorhänge und fing noch
lauter als Jenny zu schreien an.
    Giles kam, gefolgt von seiner
Herrin, knarrend herein.
    »Ach du meine Güte«, dröhnte Mrs.
Freemantle, »du hast sie entdeckt, nicht wahr? Mein verstorbener Mann war ein
großer Reisender, und ich habe es nie übers Herz gebracht, etwas aus seiner
Sammlung wegzuwerfen. Es sind
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