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0595 - Radio-Grauen

0595 - Radio-Grauen

Titel: 0595 - Radio-Grauen
Autoren: Jason Dark
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einem langen, schwarzen Mantel. Suko schaute in das hohlwangig wirkende Gesicht und in ein Augenpaar, das ihm ohne Leben erschien.
    Er hatte ihn nie zuvor gesehen, aber er war sicher, Dario vor sich zu sehen.
    Die beiden Männer ließen sich nicht aus den Augen. Sie spürten, daß sie nicht eben zu den Freunden gehörten. Dario schüttelte unwillig den Kopf, als wollte er bestimmte Gedanken verscheuchen.
    Dann trat er auf die Treppe und ging auf Suko zu, der keinen Yard zurückwich, so daß Dario stehenblieb.
    Hinter ihm drängten sich die anderen Mitglieder der Familie zusammen. Sie alle starrten Suko aus ihren blicklosen Augen an. Der Bann der Toten hielt sie wie eine Klette.
    »Was habt ihr vor?« fragte Suko.
    Dario zwinkerte mit den Augen. Seine Lippen bewegten sich, ohne daß er ein Wort sprach.
    »Was?«
    »Wir haben den Ruf unseres Ahnherrn vernommen. Wir werden ihm folgen, Mister.«
    »Ihr wollt euch töten?«
    Dario nickte sehr bedächtig. »Ja, wir werden uns töten, damit es den anderen gelingt, in die andere Sphäre zu kommen, wo sie ihr Glück finden werden. Sie müssen die Stufen durchlaufen, um die Glückseligkeit zu erreichen.«
    »Nein!« rief ihm Suko zu. »Nein, so ist das nicht. Denk nach, Dario. Dein Ahnherr Mortimer will euch ausnutzen. Er ist nicht besser als der Teufel, er will euch, damit er und seine anderen Verwandten Ruhe haben. Begreifst du das denn nicht, zum Henker?«
    »Wir müssen den Weg nehmen. Und nicht nur wir werden ihn gehen, auch andere haben die Stimme vernommen. Die Darios regieren diesen Ort. Wir sind die Starken, wir besitzen die Macht, und wir kennen den Weg!«
    »Den falschen Weg. Er ist der in den Untergang. Willst du das denn nicht begreifen?«
    »Ich glaube meinem Ahnherrn mehr als dir. Auch die anderen denken so. Dreh dich um!«
    Suko zögerte noch, weil er Dario nicht seinen ungeschützten Rücken zuwenden wollte. In diesem Fall wäre es Wahnsinn gewesen, jemandem zu vertrauen.
    Erst als er Distanz zwischen sich und den Mann gebracht hatte, schaute er zurück.
    Suko gehörte nicht zu den schreckhaften Menschen. Was er allerdings jetzt zu sehen bekam, ließ seine Knie zittern. Von ihm unbemerkt, hatten zahlreiche Bewohner der kleinen Stadt ihre Häuser verlassen und sich im Zentrum versammelt.
    Männer, Frauen, Kinder. Mütter, die ihre Kleinen an den Händen hielten. Sie alle hatten durch das Radio die grauenvolle Botschaft des Toten gehört.
    Suko wurde blaß. Aus den Gassen schoben sich mit langsamen, aber zielstrebigen Schritten die Menschen hervor, um den Sammelpunkt zu erreichen. So verschieden ihre Gesichter auch waren, im Prinzip wirkten sie alle gleich. Es lag an der bleichen Haut, an der Starrheit, und Suko hörte auf, sie zu zählen.
    Menschen, die noch lebten, aber innerlich bereit waren, sich zu töten.
    Wenn er darüber nachdachte, vermehrte sich die Gänsehaut auf seinem Rücken. Diese Vorgänge hatten ihn sprachlos werden lassen. Er fragte sich, wie er die Menschen davon abhalten konnte, in den Tod zu gehen. In einen völlig sinnlosen Tod.
    Wahrscheinlich überhaupt nicht. Es waren so viele, daß er gegen ihre Kraft nicht ankam. Er konnte nicht hingehen und sie einfach ansprechen, es nicht zu tun. Sie würden nicht auf ihn hören und weiterhin ihren Plänen folgen.
    Als er das leise Lachen hörte, drehte er sich wieder um. Dario nickte ihm zu. »Ich weiß nicht, wer du bist, aber dem Aussehen nach stammst du von denen aus dem Kloster. Die Mönche und wir sind keine Freunde, doch ich sage dir, daß du es nicht schaffen kannst, uns von dem abzubringen, was wir vorhaben. Du müßtest uns schon töten, und damit tätest du uns einen großen Gefallen.«
    Die Worte hatten Suko erschreckt, doch er mußte zugeben, daß es sich dabei um die reine Wahrheit handelte. Er hätte es zudem nie fertiggebracht, einen der Bewohner umzubringen. Er befand sich in einer Zwickmühle und stufte sich selbst als hilflos ein.
    Von der Treppe her löste sich eine kleine Gestalt. Es war ein dunkelhaariges Mädchen, nicht älter als sieben. Die Kleine lief auf den grauhaarigen Mann zu und umklammerte seine rechte Hand.
    »Großvater«, fragte sie vertrauensvoll, »was will der Mann?«
    »Uns vom rechten Weg abhalten, Jenny.«
    »Dann mußt du ihn aus der Stadt werfen!«
    Dario lachte leise. »Muß ich das?« sprach er Suko an. »Muß ich dich tatsächlich aus der Stadt werfen?«
    »Freiwillig gehe ich nicht.«
    »Das weiß ich.« Er schaute über Suko hinweg und hob eine Hand.
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