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058 - Sub Sisco

058 - Sub Sisco

Titel: 058 - Sub Sisco
Autoren: Bernd Frenz
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Qualität - alles verloren! Den Fischern war nicht mehr geblieben als ein paar Netze und die Boote, in denen sie saßen.
    Clay blickte auf eine junge Frau mit dunkelblondem Haar, die nicht weit von ihm entfernt an der Bordwand kauerte. Schweißtropfen glitzerten auf Piars unnatürlich bleicher Stirn.
    Eine schmerzverzerrte Miene entstellte ihr schmales Gesicht, während sie die Linke auf einen rot durchtränkten Stofffetzen um ihre rechte Schulter presste.
    Dort hatte sie ein Pfeil getroffen, als sie ihre kleine Schwester mit dem eigenen Körper schützte. Die eingedrungene Eisenspitze hatte einen Widerhaken besessen. Deshalb war ihrem Vater nichts anderes übrig geblieben, als den Pfeil abzubrechen und den verbliebenen Schaft durch Piars Fleisch hindurch zu drücken. Nur so hatten noch schlimmere Ve rletzungen vermieden werden können.
    Bei ihrem provisorischen Verband handelte es sich um Clays durchgeschwitztes Hemd.
    Sie besaßen nichts anderes, um die Blutung zu stoppen.
    Angesichts ihres Zustands hielt sich Piar sehr tapfer, doch sie brauchte dringend festen Boden unter den Füßen. Ein ruhiges Plätzchen, auf dem sie sich ausstrecken und ein wenig Schlaf finden konnte. Aber wo sollten sich die Flüchtlinge an Land wagen, solange Steppenreiter die Küste unsicher machten?
    Ihnen war nur der Weg nach Norden geblieben. Jenseits der Meerenge, die den San'andra-See speiste, gab es ein unbewohntes Plätzchen, wo sie vor Übergriffen sicher waren. Die breite Furt, welche die Landmasse spaltete, hatten sie bereits an Steuerbord hinter sich gelassen. Nun konnte es nicht mehr weit sein.
    ***
    Clay richtete sich von der Heckbank auf, um besser sehen zu können. Die Hand fest am Ruder, ließ er den Blick über die glitzernde Wasserfläche gleiten, bis er einige dunkle Punkte am Horizont entdeckte. Zuerst glaubte er an eine Täuschung, aber dann ließen sich wirklich die halb versunkenen Türme ausmachen, die den klammen Finger eines ertrunkenen Riesen gleich aus dem Wasser ragten.
    »Da sind sie!«, rief er aus, doch sein rauer Hals brachte kaum mehr als ein Krächzen hervor. Clay verspürte längst nicht die Zuversicht, die er den anderen vorspielen wollte, trotzdem nahm er all seinen Mut zusammen und wandte sich an Piar: »Bald sind wir in Sicherheit, dann wird alles wieder gut.«
    Die Verletzte schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Nicht weil sie ihm glaubte, sondern weil sie seine Sorge um ihr Wohlbefinden zu schätzten wusste.
    Ein auffrischender Wind blähte die Segel. Plötzlich ging es schneller voran, der Rettung - oder dem Verderben - entgegen. Die schroff aufragenden Felsen zu ihrer Rechten zogen in seltsamer Eintönigkeit vorbei. Nur vereinzelte Bauten aus uralter Zeit, die von Ranken und Gestrüpp überwuchert wurden, boten etwas Abwechslung.
    Dort oben ruhten die kläglichen Reste, die den Untergang von Sisco überstanden hatten.
    Außer einigen alten Ruinen, die nicht ins Meer gespült worden waren, gab es dort angeblich nichts zu entdecken.
    Genaues wusste allerdings niemand. Seit Generationen hatte kein Fischer mehr dieses unwirtliche Gebiet betreten, das lediglich eine Begegnung mit den blutrünstigen Fishmanta'kan oder andere unerfreuliche Überraschungen versprach. Hätte sie nicht die blanken Not hierher getrieben, Clay und die anderen hätten diesen Teil der Küste ebenfalls niemals erblickt.
    Ein kaltes Prickeln lief über den Brustkorb des schmächtigen Jungen, während die aus dem Meer ragenden Türme immer größer wurden. Ein Teil der wuchtigen Fassaden war von der Flutwelle fortgerissen worden oder nachträglich eingestürzt, doch obwohl seit vielen Generationen Salz und Feuchtigkeit an den Steinen nagten, reckten sich die oberen Stockwerke trotzig aus den Fluten.
    Zäh, unbeugsam und - hoffentlich - stabil.
    Die dunklen Fensterfronten glotzten die ankommenden Boote wie leere Augenhöhlen an, doch trotz ihres unheimlichen Aussehens versprachen die Türme als einziger Unterschlupf Schutz vor Regen, Kälte und den Steppenreitern.
    Selbst der sprungkräftigste Frekkeuscher vermochte nicht ihre Dächern zu erreichen, selbst wenn er seine kurzen Flügel ausbreitete, um die Küstenaufwinde zu nutzen. Die Türme standen zu weit draußen auf See. Ohne ein Boot konnte sie niemand erreichen, und die Steppenreiter scheuten sich in der Regel, den Fischern auf ihr ureigenes Territorium zu folgen.
    Aber die gleichen salzigen Untiefen, die vor Angriffen zu Lande schützten, mochten weitaus schlimmere Gefahren
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