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057 - Schreckensmahl

057 - Schreckensmahl

Titel: 057 - Schreckensmahl
Autoren: Larry Brent
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Berechtigung. Er war besessen von
einer Idee.
    Er wollte etwas perfekt machen. Ein Außenstehender würde
für dieses Verhalten nur ein Grinsen übrig haben. Auch jemand, der noch
verstand, daß man ein Hobby betrieb, aber bei Jonathan Calley konnte man schon
nicht mehr von einem Hobby sprechen. Er war maßlos in seiner
Sammlerleidenschaft geworden. Am liebsten hätte er in Persien gelebt und wenn
es seine Mittel erlaubt hätten, würde er versucht haben, den Palast des Kaisers
zu kaufen. Er hatte schon davon gesprochen.
    Für Sandra Calley gab es schon lange keinen Zweifel mehr:
Jonathan war verrückt! Sie lebte mit einem Irren unter einem Dach. Aber sie
hatte keine Angst, denn Jonathan war nicht gefährlich. Er war nur besessen von
seiner Idee. Er tat niemand etwas zuleide.
    »Komm herunter, Sandra! Ich will dir etwas zeigen!« Er
lächelte auf seine stille, merkwürdige Art, und in seinen Augen lag ein
seltsames Glitzern.
    »Wenn es unbedingt sein muß!« Sie wußte, daß es sein
mußte. Immer wenn er etwas Neues ausgeheckt hatte, mußte er es ihr zeigen. An
allem sollte sie teilhaben, aber passiv.
    Sie stieg die schmale Stiege nach unten. Der Kellerraum
erinnerte sie an die Requisitenkammer einer Filmgesellschaft.
    Eine Wand hatte Jonathan Calley mit blauer Farbe
bestrichen.
    Deutlich hoben sich Himmel und Meer voneinander ab. Am
blauen Himmel leuchtete eine helle, kräftig strahlende Sonne.
    Vor diesem überdimensionalen Wandbild standen zwei alte,
gleich aussehende Boote. In der rechten Ecke lag eine große Wachspuppe mit
einem entstellten Gesicht.
    Jonathan hatte diese Dinge selbst angefertigt.
    »Was soll das bedeuten?« fragte Sandra Calley achselzuckend.
Mit einer nervösen Bewegung strich sie sich über die trockene Gesichthaut.
Schon lange benutzte sie keine Hautcreme mehr, weil Jonathan die Mittel dazu
gestrichen hatte. Vor einiger Zeit noch hatte Sandra Calley sich die Frage
gestellt, was sie eigentlich noch hier in diesem Haus festhielt.
    Sie wurde doch nur noch geduldet, gehalten wie eine
Haushälterin, schlimmer noch: wie eine Sklavin.
    Mit ihren achtunddreißig Jahren sah sie gut zehn Jahre
älter aus. Ihre Willenskraft und ihr Selbstbewußtsein waren zerstört.
    Sie war kein selbständig denkendes Wesen mehr. Jonathan
befahl, und sie reagierte darauf wie ein Roboter. Irgendwann hatte sie es
versäumt, den Absprung zu unternehmen. Heute nun war es zu spät. Manchmal kam
sie sich schon uralt vor.
    »Ich habe dir mal erzählt, daß die Geschichte der Perser
zur blutrünstigsten der Welt gehört«, machte Jonathan Calley sich bemerkbar.
»Egal, ob man Plutarch, Diodor oder Quintus Curtius liest. Sie bringen in ihren
Berichten immer wieder das grauenhafte Verhalten der führenden Herrscher zum
Ausdruck.
    Ich habe mich gerade in den letzten Monaten mit diesem
Fragenkomplex besonders intensiv beschäftigt und eine ganz neue Art Einblick in
das Leben und die Kultur dieses Volkes bekommen.
    Anfangs waren es die Heilkunst, das Kunstgewerbe, die
Paläste der wieder ausgegrabenen Stadt Persepolis, die Religion und
Geheimwissenschaften der Perser, die mich faszinierten. Jetzt sind es die
Mordtaten und die Greuel, die in diesem Volke passierten, die Verderbtheit und
Unmoral und alle Begleiterscheinungen, die diese Dinge mit sich bringen.
    Schwere Verbrechen ahndete man zum Beispiel mit schweren
Strafen. Vergiften war noch das menschlichste Urteil.
    Kennzeichnung mit einem Brandmal, Verstümmelungen,
Blendung, Steinigen und Zermahlen oder das Schmoren der Körper in glühender
Asche waren an der Tagesordnung. Doch der furchtbarste Tod, den ein Mensch
erleiden konnte, wurde durch die Boote herbeigeführt.«
    Sandra blickte fragend abwechselnd auf ihren Gatten und
dann wieder auf die beiden Boote.
    »Plutarch berichtet in allen Einzelheiten von einem
Soldaten, der wegen einer unbesonnenen Bemerkung von seinem König, Artaxeres
II. auf diese Weise hingerichtet wurde.« Mit diesen Worten näherte Jonathan
Calley sich der Wachspuppe in der Ecke, hob sie auf und legte sie mit dem
Rücken in das erste Boot. »So legte man den Soldaten hinein. Dann nahm man das
andere Boot …« Calley unterbrach sich und hob das zweite Boot, das an den
Rändern, am oberen und am unteren Ende Aussparungen hatte, genau über das
erste.
    »Der Soldat ist eingeschlossen. Er liegt im Boot, nur
Hände, Füße und der Kopf ragen heraus«, fuhr Calley fort. Seine Stimme klang
erregt und ein wenig heiser. »Und nun zwingt man den Unglücklichen
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