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057 - Schreckensmahl

057 - Schreckensmahl

Titel: 057 - Schreckensmahl
Autoren: Larry Brent
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zu essen und
zu trinken. Behälter mit einer Mischung aus Milch und Honig stehen bereit, und
das wird dem Opfer eingegeben.«
    Calley sprach mit der Stimme eines Berichterstatters.
Sandra lief es eiskalt über den Rücken.
    »Sie übergießen sein Gesicht mit dem Milch-Honig-Gemisch
und in der Hitze kommen Schwärme von Fliegen, Sandra. Wer ißt und trinkt, der
hält all seine Körperfunktionen aufrecht. Und genau das wollten die Peiniger
bezwecken. Die Exkremente werden dem im Boot Liegenden schließlich zum
Verhängnis.
    Die Qual dauert wochenlang.«
    »Hör auf damit!«
    Sandras lauter Ruf erfüllte das Kellergewölbe. »Ich will
nichts mehr hören!« Sie schüttelte sich. »Ich glaube, du wirst endgültig
verrückt!« So ernst hatte sie schon lange nicht mehr mit ihm gesprochen.
    »Aber, liebe Sandra«, sagte er mit butterweicher Stimme
und legte seine Rechte um ihre Schulter. Die Frau zuckte bei der Berührung
zusammen, als wäre es eine Schlange, die sich auf ihre Achseln setzen würde.
    »Das alles entspricht den Tatsachen. Ich bin lediglich
ein Werkzeug der Dinge, die es tatsächlich mal gab. Ich will sie wiedererstehen
lassen! Die Nachwelt soll einst von meiner Sammlung erfahren. Ich werde den
Gepeinigten in den Booten nachgestalten, ich werde Gesteinigte und Zermalmte
aus Wachs nachformen und ein Wachsfigurenkabinett in der Art von Madame Tussaud
aufbauen.
    Niemand wird sich dann an meinen Schauergestalten stören,
wenn ich wirklich einmal so weit kommen sollte, diese Kammern hier unten der
Öffentlichkeit freizugeben.
    Genausowenig wie sich heutige Besucher der Horrorkammer
in London nicht daran stören, daß dort eine Guillotine aufgebaut ist, mit der
Originalschneide versehen, die im Schreckensjahr 1793 in Paris tatsächlich
eingesetzt wurde! Auf dieser Guillotine liegt ein Kopf, abgehackt – und hier
liegt eine Wachspuppe, die bald einem Soldaten ähnlich sein soll, der vor über
zweitausend Jahren den Tod in den Booten erlitt.«
    Kopfschüttelnd wandte Sandra Calley sich ab. Sie stieg
die Stufen nach oben.
    »Das Essen wird kalt«, sagte sie.
    Jonathan Calley folgte seiner Frau nach. Sein Gesicht war
oval, glatt wie seine Glatze und wirkte beinahe ausdruckslos.
    Calley hatte ein Kindergesicht, harmlos und rosig. Das
einzig Bemerkenswerte waren seine dunklen, unnatürlich großen und verträumten
Augen.
    Beim Essen unterhielten sie sich weiter über Persien und
die Geschichte des Landes. Wie konnte es anders sein! Sandra Calley war das
gewohnt, und sie hörte schon gar nicht mehr zu.
    »Weil wir gerade beim Essen sind, liebe Sandra«, setzte
Jonathan Calley seinen Monolog fort. »Die Menschen während der Herrschaft von
Dareios, die oberen Zehntausend, wie man heute sagen würde, gestatteten sich
nur eine Mahlzeit.
    Sie finge n am frühen Mittag an und beendeten sie am
späten Abend. In den Häusern der Wohlhabenden stopfte man sich voll mit
seltenen Speisen, mit Soßen und Naschereien, bis ihnen fast die Bäuche
platzten. In den Königshäusern blühten Liebeshändel.«
    »Die hatten es gut«, sagte Sandra Calley einfach, ohne
sich weitere Gedanken über das zu machen, was ihr Gatte da von sich gab.
    »O nein, so einfach war das nicht!« hakte Jonathan Calley
sofort nach. »In den persischen Königshäusern gab es Verrat und Mord. Ein
Königsmörder brachte den anderen um. Brüder und Halbbrüder erschlugen sich, um
auf den Thron zu kommen. In krassen Fällen ließ ein Sieger den Aufständischen
umbringen, dessen Frau in Stücke schneiden und die Töchter bei lebendigem Leib
verbrennen.
    In einem anderen Fall ließ der Siegreiche seinem Bruder
ohne dessen Wissen die eigene Frau als Braten vorsetzen, und als er davon
gegessen hatte, wurde ihm erst offenbart, was er da auf dem Teller gehabt
hatte!«
    Jonathan Calley kannte wirklich sämtliche Greueltaten der
alten Perser.
    Sandra seufzte.
    »Ich hoffe nur, daß du nicht auch noch auf die Idee
kommst, diese Ereignisse in Wachs nachzumodellieren.«
    »Aber nein, liebe Sandra, wie sollte ich denn dazu
kommen?«
    Gleich nach dem Essen verschwand Jonathan Calley wieder
in seinem Keller, um dort zu arbeiten.
    Mechanisch räumte Sandra den Tisch ab und begann das
Geschirr zu spülen. Eine stupide Arbeit, die sie jeden Tag verrichtete.
    Während des Spülens machte sie sich Gedanken über
Jonathan. Er hatte sich verändert! Die Dinge nahmen eine Form an, die anfing,
sie zu erschrecken. Es war an der Zeit, daß er einen Arzt aufsuchte, aber
Sandra wußte genau,
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