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056 - Zielort: Kratersee

056 - Zielort: Kratersee

Titel: 056 - Zielort: Kratersee
Autoren: Claudia Kern
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Expedition natürlich nicht gebrauchen.
    Smythe sah zurück zu den Übriggebliebenen. Zwischen ihnen ragte ein Hüne hervor, dessen Gesicht und Handrücken behaart waren wie die eines Bären. Der Soldat, der mit ihm sprach, schien ihn kaum zu verstehen, denn er schüttelte immer wieder den Kopf, bevor er etwas in seinen Handcomputer eintippte.
    »Dich nehme ich nicht«, flüsterte Smythe und schloss gleichzeitig auch den Mann aus, der neben dem Hünen stand und wohl mit ihm befreundet war. »Nein, und dich mit den Peitschennarben auf dem Rücken ebenfalls nicht.«
    Sein Blick glitt langsam über die Reihe hinweg, suchte nach den Kriterien, die er ausgewählt hatte. Einen drahtigen Jäger ignorierte er ebenso wie einen etwas breiter gebauten Schreiner, der die Werkzeuge seines Berufs in einem Beutel über der Schulter trug.
    »Nein, nein, nein«, flüsterte er und dann endlich: »Ja!«
    Sein Schrei war so laut und unerwartet, dass zwei junge Frauen, die wartend an der Mauer lehnten, erschrocken aufblickten und ein paar Schritte zur Seite traten. Das Kind, das die eine vor ihrer Brust trug, begann zu weinen.
    Smythe beachtete sie nicht. Er hatte nur Augen für die Szene, die sich neben dem Panzer abspielte, und beobachtete mit ständig wachsender Erregung, wie der Ausrufer kleine Codekarten an die Männer verteilte und dann zurück in seinen Panzer kletterte. Die anderen Soldaten folgten ihm, während die Menge sich bereits zu zerstreuen begann. Nur die Auserwählten blieben noch zusammen stehen, und für einen schrecklichen Augenblick befü rchtete Smythe, sie würden seinen Plan durchkreuzen. Doch dann löste sich auch diese Gruppe unter Händeschütteln und Schulterklopfen auf.
    Mit einem Sprung landete Smythe auf der unbefestigten Straße. Er strauchelte kurz und wäre beinahe gegen den Hünen und seinen stark tätowierten Begleiter geprallt, wenn er sich nicht im letzten Moment gefangen hätte. Die beiden Männer blieben stehen und sahen ihn an, als erwarteten sie eine Kampfansage.
    Smythe hob lächelnd die Hände. »Ich will keinen Ärger.«
    »Isauch besse so«, nuschelte der Hüne kaum verständlich, bevor sich die beiden Männer abwandten und zu den Frauen gingen, die Smythe schon vorher bemerkt hatte.
    Ihr werdet noch im Staub vor mir kriechen, dachte er. Seine Finger zitterten. Die Wut, die plötzlich in ihm aufwallte, verzerrte seine Gedanken und ließ ihn beinahe die Kontrolle verlieren. Mühsam drehte er sich um, schluckte seinen Zorn hinunter und suchte die Menge nach dem Mann ab, dessen Leben an diesem Tag enden sollte.
    Er fand ihn an einem kleinen Stand, der panierte Gerulherzen am Spieß anbot. Gleich drei davon kaufte der kleine Mann mit dem ungeheuer muskulösen Oberkörper. Smythes Magen knurrte. Die Schilddrüsenüberfunktion, unter der er litt, beschleunigte seinen Stoffwechsel und sorgte dafür, dass er ständig Nahrung brauchte. Doch jetzt war dafür keine Zeit.
    Vorsichtig folgte er seinem Opfer. Der Mann bewegte sich wie ein Bodybuilder aus einem anderen Jahrhundert, langsam und mit weit ausholenden Schritten. Kurz vor dem zugefrorenen Fluss drehte er sich nach rechts von der Stadt weg und tauchte in die Gassen zwischen den windschiefen Hütten und Zelten ein. Hier hielten sich nur wenige Menschen auf. Erst abends, wenn die Prostituierten von ihren Lagern aufstanden und sich grob gezimmerte Hütten plötzlich in lärmende Tavernen verwandelten, kam Leben in die Slums. Tagsüber schliefen die Bewohner entweder ihren Rausch aus oder bettelten am Rand der großen Straße.
    Was will er hier?, fragte sich Smythe und griff unwillkürlich nach dem schweren Stein in seiner Tasche. Die kalte raue Oberfläche beruhigte ihn.
    Er duckte sich in den Schatten einer Hütte, als der Mann vor einem Gebilde, das halb aus Holz und halb aus Fellen zu bestehen schien, stehen blieb. Es war nicht zu verstehen, was er sagte, aber nach einem Mome nt trat eine hochschwangere Frau nach draußen, die zwei Säuglinge auf den Armen trug. Sie umarmte den Mann und begann mit ihm zu reden.
    Smythe seufzte und wippte ungeduldig auf den Fußballen auf und ab. Der Stein in der Tasche schlug in einem gleichbleibenden leichten Rhythmus gegen seinen Oberschenkel.
    Na mach schon, dachte er. Der Herr der Welt wartet nicht gerne.
    Wieder einmal schien die Vorsehung seinen Gedanken zu gehorchen, denn der Mann verschwand für kurze Zeit in der Hütte. Als er wieder heraus kam, trug er eine Art Seesack unter dem Arm. Er umarmte die
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