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0552 - Gefangene der bösen Träume

0552 - Gefangene der bösen Träume

Titel: 0552 - Gefangene der bösen Träume
Autoren: Werner Kurt Giesa
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landete samt dem sich mehr oder weniger dekorativ verteilenden Inhalt unmittelbar auf dem Unglücksraben.
    Genauer gesagt: dem Unglücksdrachen.
    Papiertüten mit Mehl und Zucker platzten auf, dazwischen zerbrach ein Marmeladentopf und ein Glas mit Gewürzen. Eine Plastikflasche mit Curry-Ketchup landete im erschrocken aufklaffenden Drachenmaul.
    Das schloß sich im Reflex, und im nächsten Moment wurde die zerbissene Flasche an der Spitze eines Feuerstrahls wieder ausgespien, landete unmittelbar neben dem Mikrowellengerät und begann dort allmählich vor sich hin zu schmoren.
    Für einige Sekunden wurde es wieder ruhig.
    Dann versuchte der mehl- und gewürzbestäubte sowie marmeladenverklebte Urheber des Chaos, sich umständlich aus selbigem zu erheben. Dies Unterfangen stieß auf leichte Schwierigkeiten, da der etwa 1,20 Meter große, entschieden massig wirkende Körper -böse Zungen hätten etwas von »hoffnungslos verfettet« gemurmelt - alles andere als sportlich geformt und trainiert war. Zudem lastete der umgekippte Hochschrank auf ihm. Der Drache wälzte ihn beiseite, wobei Holz und Spanplatten weiter zu Bruch gingen, und wuchtete sich hoch, auf Töpfe gestützt, die sich unter dem erheblichen Gewicht des Wesens mehr oder weniger verformten.
    Die Tür der großen Küche flog auf. Ein Mann mittleren Alters, in schwarzer Hose, blütenweißem Hemd und gestreifter Dienerweste, tauchte auf und versuchte das Chaos zu überblicken.
    Dann holte Butler William tief Luft. »Mister MacFool!« fauchte er den kleinen Drachen an. »Mußte das sein? Glaubst du, der Professor hat so viel Geld, daß er alle paar Tage eine neue Einrichtung kaufen kann? Nimm dich gefälligst zusammen!«
    Aber das Wesen schien überhaupt nicht zuzuhören. Fooly sah durch die Wände von Château Montagne hindurch irgendwohin und wirkte geistig völlig abwesend. Zumindest hatte der schottische Butler diesen Eindruck.
    Seufzend hob er ein abgebrochenes Stuhlbein auf, trat direkt vor den kleinen Drachen und hielt es ihm vor die großen, runden Telleraugen.
    »He, MacFool, ich rede mit dir! Was hast du dir dabei gedacht, hier mitten in der Nacht das halbe Château in Trümmer zu legen?«
    »Ein Drache«, wiederholte Fooly in fast andächtigem Murmeln. »Wirklich und wahrhaftig, es ist ein Drache. Ich muß zu ihm. Ich muß sehen, wie er in unsere Welt gekommen ist! Vielleicht durch die Regenbogenblumen…?«
    »He!« William stieß ihn an. »Was faselst du da für einen Dünnsinn? Hast du nicht gehört, was ich dich gefragt habe?«
    Fooly zuckte zusammen. Es schien, als erwache er aus einem Traum. »Nein«, gestand er. »Wovon war gerade die Rede?«
    »Hiervon!« knurrte William. »Weißt du, was das ist?«
    »Brennholz«, überlegte Fooly. »Für den Kamin. Muß wohl mal ein Stuhl gewesen sein, oder?« Treuherzig sah er den Butler an.
    William seufzte. »Warum hast du ihn zertrümmert?«
    »Iiiich?« entrüstete sich Fooly. »Wieso ich? Ich zertrümmere nichts! Ich bin ein sehr vorsichtiger, umsichtiger, nachsichtiger und sonstwie-sichtiger Drache, damit du’s weißt! Vielleicht ist der Stuhl irgendwo runtergefallen und dabei zerbrochen.«
    Er sah sich um und schüttelte den kantigen Reptilschädel.
    »Eine Unordnung ist das hier… war das etwa mal eine Küche? Sieht ja aus wie’n Handgranaten-Wurfstand nach dem Manöver! Hier müßte mal aufgeräumt werden! Komisch, vorhin sah das noch entschieden ordentlicher aus!«
    »Versuch nicht, dich herauszureden«, warnte William. »Du wirst kaum behaupten wollen, daß die Köchin oder ich die Küche in einem dermaßen desolaten Zustand hinterlassen würden! Du bist der erste, der hier wieder reinspaziert ist, seit die Köchin heute Feierabend gemacht hat. Und außerdem ist dieses Chaos doch absolut typisch für dich! Wie hast du das mal wieder hinbekommen?«
    »Immer diese Vorurteile gegenüber Minderheiten!« protestierte Fooly und fuhr dann ernsthaft fort: »Das kann ich nicht gewesen sein! Wirklich nicht! Ich müßte doch was davon wissen.«
    William ließ das Stuhlbein sinken.
    Es paßte nicht zu Fooly, sich vor etwas zu drücken. Wenn er etwas angestellt hatte, stand er auch dazu. Er war kein Lügner und kein Feigling. William konnte sich nicht vorstellen, daß der kleine Drache ausgerechnet jetzt plötzlich Charakterschwäche zeigte. Dafür gab es keinen Grund.
    Sollte er tatsächlich nicht bemerkt haben, was er hier angerichtet hatte?
    Das gab’s nicht. Irgend etwas war nicht in Ordnung.
    Auch
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