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0552 - Gefangene der bösen Träume

0552 - Gefangene der bösen Träume

Titel: 0552 - Gefangene der bösen Träume
Autoren: Werner Kurt Giesa
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können wir nicht noch sanfter werden. Mann, wir wollen sie aus den Stiefeln peitschen! Zum Henker mit der Träumerei! Es geht um die Musik, nicht um die Texte. Was die Melodie nicht erzählt, kann der Text auch nicht mehr erklären!«
    »Ignorant«, murmelte Vinerich.
    Seine Idee war dieses Rock-Märchen gewesen. Er hatte die Texte geschrieben, und er fügte immer noch neue hinzu oder änderte alte ab. Seine Fantasie schien unerschöpflich zu sein. Er hatte anfangs auch vorgeschlagen, die Show bei jedem Auftritt ein wenig anders zu gestalten, um dem Publikum immer wieder etwas Neues im Rahmen dessen, was sie eigentlich schon kannten, zu präsentieren. Und weil das Konzept der stete Wandel war, jeder Auftritt irgendwie eine Premiere, war es auch er, der sich vehement dagegen sträubte, das Spektakulum in eine CD zu pressen und zu verkaufen. »Dann wird es doch starr, bleibt nur als eine unveränderliche Version, und damit unterscheidet es sich nicht mehr von anderen Stücken.«
    »Wie viele solch anderer Stücke gibt’s denn?« hatte Clancey dagegengehalten. »Die kannst du weltweit an den Fingern einer Hand abzählen. Wir vergeben uns nichts, wenn wir von unserer Linie abweichen. Denk an die Kohle, Mann, die wir mit ’ner CD machen können!« Nur sagte er das dem Falschen. Vinerich fühlte sich der Kunst verpflichtet, nicht dem Kommerz. Ihm reichten die Gagen der Live-Auftritte. Nur leider kam es deshalb immer wieder mal zum Streit. Vor allem dann, wenn ihr Manager sie ins Studio holen wollte und Vinerich sich weigerte. »Unveränderlichkeit ist der Tod jeder Kunst«, behauptete er immer wieder.
    Vermutlich hätte der Manager ihn längst aus der Band geworfen, aber jeder wußte, daß es nicht ohne Bo Vinerich ging. Erstens hatte er es irgendwie geschafft, eine Klausel in seinen Vertrag zu schreiben, so daß ohne seine Zustimmung dieses Hardrock-Märchen nicht aufgeführt werden durfte, und zweitens brauchten sie seine Texte, seine Genialität. Er war der Schöpfer, die anderen das Werkzeug.
    Er hatte es sie noch nie spüren lassen, doch hin und wieder machte sich jeder in der Gruppe seine Gedanken darüber, was sie ohne Vinerich wären. Er textete und lieferte zu einigen Stücken auch gleich die Kompositionen mit; den Rest komponierten »Vampir« Harper, dessen Vornamen niemand kannte und den er vermutlich selbst längst vergessen hatte - die Schrift in seinem Paß war längst verwischt und verklebt und unleserlich geworden -, und Imogen Sands, die am Synthesizer auch für Effekte und Hintergrundmelodien sorgte und sich um Filmspots und Dias kümmerte. Für den Gesang waren Harper, Clancey und Sabella Gwynedd zuständig. Die drei waren es auch, die während des Singens bei Bedarf ihre nietenbesetzte Lederkluft mit Kostümen vertauschten und sich, einem Opernvortrag nicht unähnlich, als Ritter, Räuber, Amazone oder Prinzessin profilierten.
    Zwischendurch schritt dann auch Vinerich über die Bühne, stets nur in der Rolle als Zauberer, und trug verbindende Texte vor, um in einer farbig angestrahlten Trockeneis-Nebelwolke oder sprühendem Feuerwerk wieder zu verschwinden.
    Jeder der Auftritte war härteste, schweißtreibende Arbeit.
    Harper hatte sich in einen Sessel geworfen, streckte die Beine aus und riß eine Cola-Dose nach der anderen auf, um ihren Inhalt glucksend in sich hineinlaufen zu lassen. »Ich trinke nur Blut oder Cola - nichts anderes«, behauptete »Vampir« Harper immer wieder. Yan Clancey dagegen war dafür berüchtigt, nach jedem Auftritt mindestens eine Flasche Whisky im Alleingang niederzukämpfen.
    »Du säufst dich irgendwann kaputt, Alter«, warnte Sabella. »Verdammt, du solltest mit dem Teufelszeug aufhören. Sonst liegst du mit dreißig im Sarg, verstehst du?«
    Er lachte rauh.
    Früher hatte er nur nach den Vorstellungen drei, vier gutgefüllte Gläser getrunken. Mittlerweile war er soweit, daß er schon in der Pause anfing und die Flasche sogar mit auf die Bühne nahm. Bisher hatte er noch kein Lied verpatzt, aber nicht nur Sabella und Vinerich fürchteten, daß der Alkohol in nicht ferner Zukunft seine jetzt noch vorhandene Bühnendisziplin zerstören würde.
    »Was willst du?« krächzte er mit seiner typisch heiseren Stimme, die vor allem die weiblichen Fans an ihm so mochten, die aber leider zu einem Großteil auf seinen übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen war. »Andere machen sich mit Rauschgift kaputt! Da ist der Whisky doch wohl noch um Längen besser, oder? Außerdem
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