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053 - Der Gast aus dem Totenreich

053 - Der Gast aus dem Totenreich

Titel: 053 - Der Gast aus dem Totenreich
Autoren: Dämonenkiller
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Maestro Bertini erkannt zu haben. Der Statur nach musste er es sein. Sie wollte ihm etwas zurufen. Doch er verschwand bereits im Gebäude.
    Claudia spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Der Maestro war also hier. Endlich hatte sie ihn aufgestöbert. Wenn sie es geschickt anstellte, konnte sie ihn in der Villa überraschen. Dann durfte er sich nicht mehr zurückziehen; dann musste er sich stellen und auf ihre Fragen antworten.
    Sie lief los. Die Aufschläge ihres Trenchcoats flatterten. Leichtfüßig überquerte sie die Terrasse und drang durch die Seitentür, die soeben auch Bertini benutzt hatte, in die Villa ein. Sie musste ein bisschen herumtasten, ehe sie sich zurechtfand. Es war stockdunkel um sie herum, aber sie wusste, dass sie sich in einem Gang oder lang gestreckten Flur befand.
    Vorsichtig setzte sie ihren Weg fort. Sie hatte das Ende des Ganges erreicht, als sie die Musik hörte. Claudia erschauerte, doch es war ein wohliges Gefühl, das sie durchlief. Denn was nun die ganze Villa erfüllte, war Geigenmusik – das unvergleichliche Spiel des Maestros. So interpretierte nur einer. Claudia kannte auch das Werk, das Marco Bertini so einzigartig spielte. Es war der Solopart aus dem Konzert für Violine und Orchester in D-Dur, Opus 6, von Niccolo Paganini. Eines der schwierigsten Stücke des legendären Teufelsgeigers. Bertini galt als der derzeit bedeutendste Paganini-Interpret, und nicht selten verglich man ihn auch menschlich mit dem unvergessenen Komponisten.
    Claudia folgte den Klängen. Sie fühlte sich erleichtert, fast verzaubert. Durch Flure und Räume gelangte sie in einen wundervoll eingerichteten Salon. Kerzen brannten und verbreiteten ein eigentümliches bläuliches Licht. Ein großes Gemälde oder etwas Ähnliches war durch ein schwarzes Tuch verhangen. Claudia kümmerte sich nicht darum, machte sich keine Gedanken mehr, hatte nur noch Sinn für das berückende Violinspiel. Nur eine Wand trennte sie noch von dem Maestro. Die Verbindungstür stand offen. Claudia Matino sah schon die Bilder an den Wänden; Darstellungen berühmter Komponisten wie Bach, Beethoven, Tschaikowsky, Berlioz und Paganini.
    Das Musikzimmer , dachte Claudia.
    Sie kannte Hunderte von Berichten und Beschreibungen über das Werk und die Lebensweise des Maestro. So kam es Claudia nicht vor, als würde sie einen fremden Raum betreten; nein, sie fühlte sich eigenartig heimisch und willkommen.
    Und dann sah sie ihn. Er saß auf einem schlichten Stuhl und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen; nur die Hände, diese wunderbaren Hände. Sie hielten die Violine und den Bogen. Die Finger der linken Hand bewegten sich in atemberaubendem Tempo über das schwarze Griffbrett und die Saiten des Instrumentes. Der Maestro war beim Finale des Konzertes angelangt. Es war, als spielte er sich selbst in Ekstase.
    Claudia lauschte ergeben. Es war eine Amati, die Violine von Marco Bertini. Nie hatte sie jemand vollendeter auf diesem schwierigen Instrument spielen hören. Die Darbietung endete mit ein paar rasenden Tonfolgen und einem vollen Akkord. Marco Bertini setzte die Violine ab. Die Schlussharmonie schwebte noch im Raum. Sein Atem war zu vernehmen.
    Claudia wagte es, ihn anzusprechen. »Maestro …«
    Zuerst war es, als hätte er sie nicht gehört. Dann aber kam Bewegung in seine hagere, gebeugte Gestalt. Im Zeitlupentempo drehte er sich um – und er antwortete ihr.
    Aber diese Stimme! Claudia schauderte unwillkürlich. Diese tiefe, seltsam krächzende Stimme sollte dem gutaussehenden Maestro, dem Beau der europäischen Musikszene gehören?
    »Geh!«, versetzte er langsam. »Geh, du Närrin! Fort aus diesem Haus! Lauf und drehe dich nicht um, denn noch – noch kannst du dich retten.«
    Die Stimme klang so scheußlich, dass Claudia dachte, sie müsste direkt aus einem Grab kommen.
    »Aber so hören Sie mich doch an, Maestro!«, sagte sie in flehendem Tonfall. »Sie können mich nicht einfach wegschicken. Ich habe ein Recht darauf, ihnen gewisse Fragen zu stellen.«
    Er drehte sich ganz um. In diesem Augenblick fiel fahles Mondlicht durch die hohen Fenster der Villa, und es vereinigte sich mit dem Lichtschein der Kerzen.
    Claudia Marino zog die Hände hoch und ballte sie zu Fäusten. Die Knöchel presste sie gegen den Mund, um den Schrei zu unterdrücken. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Was sie sah, war grauenvoll, aber ihr Blick blieb doch wie in Hypnose auf den Maestro gerichtet.
    Dann reagierte
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