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0520 - Unter Parazwang

Titel: 0520 - Unter Parazwang
Autoren: Unbekannt
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Kamashite blinzelte ins Licht, das Boszyks Stern in den von Mauern umrahmten Hof warf. Die Sonnenstrahlen zauberten schimmernde Kringel auf seine goldbraune Haut und brachen sich vielfältig an dem zu kleinen Zöpfen geflochtenen grünen Haar.
    Im Schatten eines schirmartigen Sunkho-Baumes ruhte die Saurierdame Olga. Vor ihr lagen die Reste einer üppigen Mahlzeit. Olga hatte die Augen geschlossen und sich ganz dem Geschäft der Verdauung hingegeben. Sie schnaubte durch die handtellergroßen Nüstern, als Lokoshan erschien, rührte sich aber ansonsten nicht.
    Eine Gruppe von Verdummten der Ersten Klasse, also solche Menschen, die trotz der Verdummung relativ schnell lernten, marschierte durch das von zwei Robotern bewachte Tor. Die Frauen und Männer winkten dem Major grüßend zu, bevor sie im Schloßportal verschwanden.
    Patulli Lokoshan winkte zurück. Doch das war nur eine Reflexbewegung in Wirklichkeit nahm der Kamashite überhaupt nicht bewußt wahr, daß man ihn gegrüßt hatte.
    Mit halbgeschlossenen Augen ging er auf den Hof und näherte sich Olga. Seine Bewegungen wirkten wie die eines Schlafwandlers. Im Augenblick existierte für ihn nur die Saurierdame - und etwas, das ihn gleich einer Marionette lenkte.
    Olga reagierte mit einem ärgerlichen Grunzen, als Patulli auf ihren Rücken kletterte. Sie war als Reiter nur den vierjährigen Boobu gewöhnt.
    Der Major nahm die Zügel, die um ihre Halswurzel geschlungen waren, zog daran und schnalzte mit der Zunge.
    „Vorwärts, Olga!"
    Olga verdrehte den langen Hals und starrte Patulli vorwurfsvoll an, als wollte sie ausdrücken, daß sie es als Zumutung empfand, in ihrer Verdauungspause gestört zu werden. Aber da der Kamashite nicht locker ließ und sie überdies sehr gutmütig war, gehorchte sie schließlich.
    Sie stemmte sich auf ihren kurzen dicken Beinen hoch, fegte mit dem Schwanz über den Rasen und watschelte auf das Tor zu. Sie mußte ihren Hals nach unten biegen, um nicht mit dem Kopf gegen den Torbogen zu stoßen. Scherzhaft schnappte sie nach den beiden robotischen Torhütern und schniefte begeistert, als die Roboter sich mit weiten Sprüngen in Sicherheit brachten.
    Die Maschinen beschränkten sich ganz darauf, Distanz zu halten; sie kannten derartige Scherze Olgas inzwischen und ‘wußten, daß die Saurierdame nur ihrem Spieltrieb gehorchte.
    Patulli lenkte das elefantengroße Tier mit Hilfe der Zügel auf den Weg nach Norden. Nach einiger Zeit gelang es ihm, Olga zu einem mäßigen Trab zu bewegen. Auf den Feldern zu beiden Seiten des Weges arbeiteten Verdummte unter der Anleitung geschulter Frauen und Männer des Ersten Verdummungsgrades. Sie kannten Olga und auch den Reiter, wenngleich Patulli sich niemals vorher als Reiter Olgas betätigt hatte. Gelächter erscholl, Zurufe ertönten, Tücher wurden geschwenkt.
    Der Kamashite ritt teilnahmslos weiter, den Blick starr auf die bewaldeten Berge im Norden gerichtet. Nach drei Stunden bog Olga vom Wege ab und stillte ihren Durst an einem kleinen See.
    Danach ließ sie sich wieder willig von ihrem Reiter lenken.
    Patulli Lokoshan dagegen verspürte weder Hunger noch Durst.
    Er ertrug die Schaukelei auf dem Saurierrücken mit stoischem Gleichmut. Bald stieg das Gelände an. Olgas dicke grauweiße Haut bedeckte sich mit Schweiß. An einer Quelle gönnte der Kamashite seinem Reittier eine Rast. Während die Saurierdame ihren Durst stillte und einige Sträucher mit Stumpf und Stiel verschlang, stand Patulli mit vor der Brust gekreuzten Armen dabei. Er stand so reglos, daß man ihn aus einiger Entfernung sicher für eine Statue gehalten hätte.
    Als Olga Hunger und Durst gestillt hatte, erwachte er aus seiner Starre. Er schwang sich abermals auf ihren Rücken, schnalzte mit der Zunge und lenkte Olga höher in die Berge hinauf.
    Nach einiger Zeit ließ der Pflanzenwuchs nach, der Boden wurde steinig. Olga protestierte mit dumpfem Gebrüll, als Lokoshan sie über einen schmalen Felsgrat trieb. Der Kamashite sprach zärtlich auf sie ein, bis sie wieder gehorchte. Danach bewegte sie sich Schritt für Schritt über den Grat. Später ging es auf einem schmalen Felsband in ein ovales, von steilen Wänden eingeschlossenes Tal hinab. Teilweise wurde das Band so steil, daß Olga ihr gewichtiges Hinterteil als Bremse benutzen mußte.
    Auf dem Talgrund angekommen, zog der Major an den Zügeln und stieg ab. Allmählich wich der tranceähnliche Zustand von ihm, und er sah sich verwundert um. Patulli hatte keine Ahnung,
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