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0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn
Autoren: Werner Kurt Giesa
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geben.
    Er atmete tief durch. Wenn er Pech hatte, stand er anschließend nicht vor einem Plateau, sondern vor einem Talkessel, und mußte sich den Weg abwärts auf die gleiche Weise wieder bahnen. Aber darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn er oben war. Er begann mit dem mühsamen Aufstieg.
    Als er oben ankam, war er außer Atem und erschöpft. Die Anstrengungen machten sich auch im körperlichen Bereich bemerkbar, denn unter normalen Umständen hätte diese Kletterei einen durchtrainierten Mann wie ihm herzlich wenig ausgemacht.
    Ein rascher Rundblick verriet ihm, daß keine unmittelbare Gefahr auf ihn lauerte - und daß seine Befürchtung zutraf: Hinter der Felsbarriere ging es ebenso steil wieder abwärts, gut 15 oder 20 Meter tief, in jedem Fall zu tief, um die Distanz mit einem Sprung zu überwinden. Nicht weit von ihm gab es tatsächlich eine Art Kessel oder »Topf« zwischen den Felsen, und ein paar Dutzend Meter hinter dem anderen Rand dieses Loches erstreckte sich hinter einer Abrißkante eine tiefliegende, weite Ebene.
    Zamorra ließ sich im Lotussitz nieder und versenkte sich für einige Minuten in meditative Trance, um noch einmal Kraft zu schöpfen für die nächste Aktion. Wenn er in den Kessel absteigen mußte, würde dieser Abstieg kaum weniger Kraft fordern als das vorherige Hinaufklettern.
    Seiner Schätzung nach waren etwa fünf Minuten vergangen, als er sich wieder erhob. Er fühlte sich etwas frischer als zuvor, aber er wußte nur zu genau, wie trügerisch dieses Gefühl war. So wie er jetzt mit seiner Körperkraft Raubbau trieb, wird der Zusammenbruch über kurz oder lang kommen. Er konnte nur hoffen, daß er vorher mit der Problemstellung fertig wurde und danach genug Zeit bekam, um seine Rückkehr durchzuführen.
    Denn eines hatte er bei seinem raschen Aufbruch in die Traumwelt nicht bedacht: Wenn Julian auf die Idee kam, den Traum überraschend zu löschen, würde von einem Moment zum anderen alles darin aufhören zu existieren. Vor allem Dinge und Personen, die eigentlich nicht hineingehörten.
    Zum Beispiel fremde Eindringlinge wie Professor Zamorra.
    ***
    Der scharfe Schmerz raubte Julian fast die Besinnung. Er krümmte sich zusammen und bot Shirona dabei weitere Angriffsflächen. Daß sein lädierter Fuß der Belastung nachgab und abermals schmerzvoll einknickte, rettete ihn vielleicht. Er kippte zur Seite weg, stürzte, und die Handkante, die ihm sonst das Genick gebrochen hätte, streifte nur seine Schulter. Auch das war noch schlimm genug. Für einige wertvolle Sekunden war Julian völlig hilflos. Der körperliche Angriff war zu überraschend gekommen.
    Aufstöhnend und um Atem ringend, rollte Julian sich weiter zur Seite und entging dàmit knapp einem heimtückischen Fußtritt. Der Träumer kämpfte gegen seine Schwäche an und hebelte Shirona mit einer Beinschere aus. Sie stürzte, versuchte katzenschnell wieder aufzuspringen. Aber Julian trat ihr das Sprungbein weg, und sie fiel erneut. Im nächsten Moment war er über ihr.
    Abermals versuchte sie ihn mit einem Kniestoß abzuwerben, aber diesmal paßte er auf. Er blockte ihren Angriff schon im Entstehen ab. Als er zu einem betäubenden Hieb ausholte, veränderte sich das Gesicht. Plötzlich hatte er es nicht mehr mit Shirona, sondern mit Uschi Peters zu tun.
    »Mutter…«
    Der Sekundenbruchteil seiner Verblüffung reichte Shirona, ihn doch wieder abzuschütteln. Als er begriff, daß sie ihn über sein Unterbewußtsein ausgetrickst hatte, umschloß ihre Hand bereits seine Kehle.
    Natürlich war sie nicht seine Mutter. Aber im ersten Reflex hatte er auf ihr Abbild reagiert.
    Shirona kämpfte nicht fair. Sie wandte die hinterhältigsten Tricks an. Und als habe sie seine Gedanken gelesen, zischte sie ihm zu: »Warum sollte ich fair sein? Die erste Chance, die man dem Gegner gibt, war die letzte eigene! Unterwirf dich mir, schwöre mir treue Gefolgschaft, und ich lasse dich vielleicht am Leben.«
    Sie lockerte ihren Griff um seine Kerle so weit, daß er sprechen konnte. »Gefolgschaft? Wozu? Ich dachte, du wärst selbst so unendlich stark…«
    »Schwöre oder stirb!« forderte sie erneut.
    Aber inzwischen hatte Julian wertvolle Sekunden gewonnen. Seine Gegenfrage war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Er hatte weder genau auf seine eigenen Worte geachtet, noch auf die Shironas. Er konzentrierte sich darauf, seine Umgebung zu verändern. Die Bodenformation verschob sich, schuf eine Mulde, in die er verschwinden konnte, wenn er
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