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052 - Die Schlangengrube

052 - Die Schlangengrube

Titel: 052 - Die Schlangengrube
Autoren: Dämonenkiller
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sich vor dem Zelt angesammelt.
    Wider Willen blieb Gigi stehen, fasziniert und magisch angezogen.
    »Sehen Sie Hervio, den Knochenmann! Einundsiebzig Tage hat er gefastet, und heute Abend wird er seinen Glaskasten verlassen. Sehen Sie, wie er Unmengen von Nahrung in sich hineinstopft und wie ein Hefeteig aufquillt! Sehen sie Lucia, die stumme Schlangenbeschwörerin, und Herkules, den stärksten Mann der Welt! Sehen Sie Raffael Amalfi persönlich in seinen weltberühmten Glanznummern, den Mann, der weiße Mäuse und lebende Goldfische verschluckt und lebendig wieder zutage fördert! Raffael Amalfi – der größte Feuer- und Schwertschlucker der Welt. Das müssen Sie gesehen haben. Das dürfen Sie nicht versäumen. Davon können Sie Ihren Kindern und Enkeln erzählen. Hereinspaziert, herrrreinspaziert! Werden Sie Zeuge der Sensation Ihres Lebens! Die größte Monstrositätenschau der Welt.«
    An dem Zelt hingen Schilder, die ebenfalls die Zugnummern ankündigten. An einem blieben Gigis Blicke hängen. Es war das kleinste. Ein Pfeil zeigte um die Ecke. Madame Zarina, Wahrsagerin stand darauf.
    Gigi schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Sie befand sich wieder ganz in der Nähe von Madame Zarinas Wohnwagen.
    Ein großer beleibter Zigeuner trat auf die kleine Bühne. Ein Tusch kündigte ihn an.
    »Raffael Amalfi persönlich gibt Ihnen eine kleine Gratisvorstellung seines Könnens«, rief der Anreißer.
    Amalfi zog einen Dolch aus der Tasche. Als er ihn gerade in den offenen Mund schieben wollte, traf sein Blick den Gigi Mertzbachs. Es war der beleibte Zigeuner, der Gigi aus dem Wohnwagen Madame Zarinas gewiesen hatte.
    Das Mädchen lief davon. Raffael sah ihr nach. Gigi stürzte weg vom Rummelplatz, zwischen den Wohnwagen der Schausteller hindurch auf den dunklen Teil der Theresienwiese. Die Lichter, der Lärm und der Trubel blieben hinter ihr zurück.
    Sie atmete auf. Die Abendluft kühlte ihr Gesicht.
    Sie wusste gar nicht, was in sie gefahren war. Ein wenig dummes Gerede von einer schrulligen Wahrsagerin, und schon drehte sie durch.
    Sie zwang sich zu einem Lachen. Was sollten Siegfried und die anderen von ihr denken?
    Da raschelte es im Gebüsch. Gigi wollte sich einreden, dass es ein Tier war oder ein Betrunkener, der hier seinen Rausch ausschlief, aber ihr Herz hämmerte. Eisige Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie bebte an allen Gliedern, spürte, dass etwas näher kam, und sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Ihre grässliche Angst war stärker als alle Vernunft. Gellend kreischte sie los.
    Raffael mit drei Männern seiner Sippe hörte die Schreie. Zu viert waren sie dem Mädchen gefolgt. Der Zigeuner erbleichte unter der braunen Haut. Er winkte den anderen. Sie rannten schneller. Ein letzter furchtbarer Schrei, dann war es still. Vom Oktoberfest hallte eine Schlagermelodie herüber.
    Die Zigeuner blieben unter den Bäumen stehen. Einer gab Raffael Amalfi die Taschenlampe, und das Sippenoberhaupt leuchtete den Boden ab. Matteo Amalfi, Raffaels ältester Sohn, packte ihn am Arm.
    »Vater, hörst du es?«
    Die Zigeuner lauschten. Sie hörten ein Krachen und Schmatzen. Zögernd nur schritten sie in die Richtung. Raffael knipste die Taschenlampe an. Geraschel in den Büschen, als würde etwas weghuschen. Im Lichtkegel der Taschenlampe sahen die Zigeuner, dass Gras und Laub zertrampelt und blutbefleckt waren. Eine große Blutlache stand auf dem Boden und zeugte von einem entsetzlichen Geschehen.
    »Es ist wieder passiert«, flüsterte Matteo. »Was sollen wir jetzt tun, Vater?«
    Raffael starrte auf die Blutlache.
    »Was die Sippe angeht, muss die Sippe unter sich ausmachen«, sagte er. »Der Täter wird nach unseren Gesetzen gerichtet. Kein Außenstehender darf davon erfahren.«
    »Ja«, murmelten die anderen. »Das ist das Beste. Sonst kommen wir allesamt ins Gefängnis.«
    »Fort!«, befahl Raffael. »Niemand darf uns hier sehen. Außer der Blutlache ist nichts zurückgeblieben. Keiner kann uns mit dieser Tat in Verbindung bringen.«
    Die Zigeuner schlichen davon. Als ein paar Männer, die wie sie die Schreie gehört hatten, herbeieilten, waren sie schon fort. Die Männer sahen die Blutlache nicht. Sie hielten das Ganze für einen dummen Scherz und kehrten zum Oktoberfest zurück.
    In der Nacht ging ein Wolkenbruch nieder und wusch das Blut fort. Gigi Mertzbach blieb spurlos verschwunden.

    Dorian Hunter und Coco Zamis bummelten über den Rummelplatz in Hampstead. Coco war munter und ausgelassen. Sie
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