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0511 - Fenster der Angst

0511 - Fenster der Angst

Titel: 0511 - Fenster der Angst
Autoren: Jason Dark
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war nicht mehr viel zu spüren.
    Die Fabriken standen leer, die Hallen moderten vor sich hin. Die Menschen vegetierten dahin. Und in dieser Verzweiflung gedieh das Verbrechen.
    Besonders hart hatte es die Jugendlichen getroffen. Da war es fast schon verständlich, wenn jemand in dieser ausweglosen Lage nicht immer den Weg des Gesetzes einschritt.
    Rippon lag praktisch am Ende des alten Industriegebietes, weit im Osten. Von leerstehenden Fabriken hatten wir nicht viel bemerkt, aber auch so war der Ort arm genug.
    Diejenigen, die noch Arbeit besaßen, fuhren nach Manchester oder Bolton. Andere blieben zu Hause und warteten auf bessere Zeiten.
    Wie auch die Besitzerin des kleinen Hotels, dessen Zimmer sich hinter grauen Mauern verbargen.
    Zwar hatte es Duschen gegeben, bei mir jedenfalls funktionierte sie nicht. Ich wusch mich über dem Waschbecken, zog mich an und kam mir in der dunklen Kleidung selbst traurig vor.
    Ich hasse diese schwarzen Anzüge, die man zur Beerdigung trägt.
    Doch irgendwo muß man auch Kompromisse eingehen.
    Vor der blinden Spiegelfläche band ich mir die Krawatte, ließ aber den oberen Knopf offen, um mich nicht zu strangulieren. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir, daß wir das richtige Beerdigungswetter hatten.
    Der November machte seinem Namen alle Ehre. Er hatte den Dunst geschickt, den dünnen Nebel, der auch tagsüber nicht wich und sich gegen Abend noch verdichtete. Dann hing er überall zwischen. Beim Einatmen bekam man den Eindruck, Gas zu trinken.
    Ich nahm den Mantel mit, verließ das Zimmer, schloß es ab und ging den düsteren Gang entlang, wobei die Bohlen unter meinen Tritten knarrende Melodien »sangen«.
    Auf der Treppe wehte mir der Geruch von gebratenem Speck entgegen. Wenigstens etwas Positives an diesem traurigen Tag. Die Wirtin hatte uns ein gutes Frühstück versprochen.
    Im Frühstücksraum saß ein Gast und las in einer Zeitung. Es war Suko, der hochschaute, als er mich hörte.
    »Morgen, John.«
    »Grüß dich, Alter.« Ich nahm an seinem Tisch Platz, auf dem auch noch ein drittes Gedeck für Glenda stand, die den Weg noch nicht nach unten gefunden hatte.
    Sensible Menschen konnten auch innerhalb des Frühstücksraums Depressionen bekommen. Die Tische und Stühle zeigten eine dunkle Farbe. Es waren auch keine weißen Tischdecken vorhanden, die einen Kontrast gebildet hätten, nur Sets lagen an den Plätzen. Die Tapeten besaßen eine graugrüne Farbe und waren von schmalen Fenstern unterbrochen. Die Luft stand im Raum. Ich öffnete ein Fenster und ließ zunächst einmal die kühle Herbstluft in den Raum.
    »Das tut gut«, sagte Suko, der am Tisch sitzengeblieben war.
    Ich stand am Fenster, schaute nach draußen und sah dabei in eine traurige Landschaft.
    Es gibt die sogenannten schönen Herbsttage, wo die Sonne den Nebel auflöste und ihn gleichzeitig wie scharfgeschnittene Streifen aussehen ließ. Zu diesem Bild paßte ein Herbstwald mit buntem Laub, einer dicken Schicht Humus auf dem Boden, blattlosen Sträuchern und ein blauer Himmel.
    Das Bild, das mir geboten wurde, wäre nicht auf einem Kalenderblatt zur Geltung gekommen. Mein Blick fiel in eine trübe, graue Suppe, die sich so verteilt hatte, daß sie die Umrisse der meisten Gebäude einfach schluckte. Wir wohnten im Ortskern und kamen uns trotzdem vor wie auf einer Insel.
    Ich drehte mich wieder um und schloß das Fenster. Die Schwingtür zur Küche schwappte auf, und die Wirtin betrat den Raum. Sie grüßte kurz, bevor sie in ihren Pantoffeln auf Sukos Tisch zuschlurfte, um den Teller mit Schinken und Speck abzustellen.
    »Für Sie das gleiche, Mister?«
    »Ja.«
    »Und was ist mit der Lady?«
    Ich hob die Schultern und schritt auf den Tisch zu. »Keine Ahnung. Vielleicht nimmt sie nur Kaffee.«
    »Ja, ich bringe Ihnen eine Kanne.«
    Sie schlurfte wieder weg. Die Frau trug einen bunten Kittel. Das schwarze Haar schien gefärbt zu sein. Es glänzte, war halblang geschnitten und reichte bis zu den Ohrläppchen.
    Ich setzte mich Suko gegenüber.
    »Kann ich schon anfangen?«
    »Sicher.«
    Suko schaufelte Ei und Schinken auf Löffel und Gabel. Er salzte noch etwas nach und nickte. »Ja, das schmeckt nicht schlecht. Ich bin angenehm überrascht. Eine gute Grundlage für einen so miesen Tag wie den heutigen.«
    »In drei Stunden ist die Beerdigung.«
    »Und in vier ist alles vorbei. Dann liegt Ken Bright bereits in der Grube.«
    »Du sagst es.«
    Suko schluckte Ei und Schinken. Die Wirtin brachte den Kaffee zusammen
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