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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador
Autoren: Manfred Weinland
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dem Seil herum, das vielfach um die Käfigtür und die umlaufenden Stäbe gewickelt und dann mit beiden Enden an einem Pflock außer Reichweite des Gefangenen verknotet war. Bei seinem eigenen Gefängnis musste Juan anders vorgegangen sein. Aber darüber würde er später Auskunft geben können.
    Fast lautlos schwang Diegos Käfigtür auf. Der Mönch wankte hinaus. »Was ist mit den anderen …?«
    Wieder winkte Juan ab. »Je mehr wir ihnen dalassen, desto weniger nachdrücklich werden sie uns jagen!«
    Diego fröstelte ob des kalten Kalküls. »Aber –«
    »Ich hatte dich vor die Wahl gestellt. Wenn du bleiben willst, weil dein Gewissen dich beißt, dann bleib! Kommst du mit, geht es nach meinen Regeln!«
    Diego haderte noch einen Moment mit sich. Dann setzte er sich in Bewegung.
    Sie irrten durch die Gassen einer Siedlung, die keinerlei Ähnlichkeit mit spanischen Städten oder Dörfern hatte. Diego schmerzte die nur notdürftig verschlossene Wunde; er sorgte sich, sie könne wieder aufplatzen. Trotzdem gab er nicht auf, sondern folgte Juan bis zum Rand der fremdartigen Häuseransammlung und noch ein Stück darüber hinaus.
    Juan hatte nicht den Weg zum nahen Meer eingeschlagen, sondern zum Hinterland, wo sich ein riesiges, unübersichtliches Waldgebiet erstreckte. Unter dem Blätterdach der hohen Bäume war es fast so finster wie in einem Kohlensack.
    Diego folgte noch eine Weile, wobei sich der Abstand zu Juan zunehmend vergrößerte. Dann aber brach der Mönch zusammen und blieb schweratmend liegen. Vor seinen Augen tanzten helle Punkte und in seiner Brust schien sich alles Blut seines Körpers wie zu einer letzten Eruption zu sammeln.
    Irgendwann kniete Juan wieder neben ihm und sprach ihm Mut zu. »Ruh dich kurz aus. Aber wir müssen vor Sonnenaufgang weiter. Je mehr Strecke wir schaffen, umso sicherer sind wir!«
    Als Diego die Augen das nächste Mal öffnete, drangen blendend helle Sonnenstrahlen durch die Lücken im Blätterdach.
    Von Juan war keine Spur zu entdecken. Offenbar hatte der Leidensgenosse entschieden, sich nicht länger mit dem Verletzten zu belasten.
    Im ersten Moment war Diego völlig verzweifelt, doch dann fing er sich und wünschte dem Matrosen, der ihm ein Freund geworden war, alles Glück der Welt. Vielleicht würde wenigstens er die Freiheit erringen und sogar zurück in die Zivilisation gelangen …
    Brechende Zweige kündeten vom Näherkommen einer Gestalt. Mensch oder Tier? Diego atmete erleichtert auf, als er einen Steinwurf entfernt den Kopf des vermissten Gefährten erkannte. Juan stand im Gestrüpp zwischen zwei mächtigen Bäumen und blickte zu ihm herüber.
    Diego winkte ihm lahm zu, doch Juan reagierte nicht. Der Mönch erhob sich mühsam und wankte auf das Dickicht zu. »Juan … Ich dachte schon, du wärst ohne mich aufgebrochen.«
    Juan blickte ihn stumm an. In seiner Miene stand ein Schrecken, der das Gesicht zu einer Maske hatte werden lassen. Sein Kopf wackelte, als würde er nicken, aber die Bewegung war ebenso unnatürlich wie der Ausdruck, mit dem er Diego entgegenschaute.
    Der Mönch streckte die Arme aus, teilte die Zweige, aus denen Juan hervorlugte – und fuhr entsetzt zurück.
    Statt des Körpers erwartete ihn ein geradezu groteskes Ensemble: Der abgetrennte Kopf des Freundes war aufgespießt auf die Spitze eines Speeres, den ein dunkelhäutiger Wilder mit beiden Händen umfasst hielt wie ein teuflischer Puppenspieler.
    Diego war so überrumpelt, dass er zu keiner Regung, erst recht nicht zur Flucht fähig war.
    Und dann brachen auch schon weitere Eingeborene aus dem Dickicht hervor und stürzten sich auf den Mönch.
    ***
    Er brauchte Tage, um die Kraft zu finden, sich an die junge Frau zu wenden, die ihm immer wieder Wasser einflößte und dann wortlos verschwand, in einem steten Kreislauf, der Diego de Landas Dämmerzustand aber kaum durchdrang.
    Wie viel Zeit wirklich vergangen war, erfuhr der Mönch erst lange Zeit danach.
    »Wo … bin ich? Wer bist … du?«
    Sie hielt kurz in ihrem Tun inne und blickte ihn an. Als sie antwortete, verstand Diego so wenig von dem, was sie sagte, wie es umgekehrt sicherlich auch der Fall war.
    Die Enttäuschung verschloss ihm die Lippen wieder. Doch nach und nach kehrten seine Lebensgeister zurück und die Frau fütterte ihn mit breiartigem Essen, das ihn kräftigte.
    So reihten sich Tage an Wochen und Wochen an Monate.
    Mit der Zeit fasste die junge Wilde Zutrauen zu Diego. Und während er ihr mit eher mäßigem Erfolg
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