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0495 - Die Schlucht der Echsen

0495 - Die Schlucht der Echsen

Titel: 0495 - Die Schlucht der Echsen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wesentlich schlechter. Er hat Erfrierungen an Fingern und Zehen und kann von Glück sagen, wenn wir sie ihm nicht amputieren müssen. Wie Sie es geschafft haben, heil aus dieser Eishölle zu entkommen, ist uns allen ein Rätsel.«
    Gabriella spürte aufkommenden Hustenreiz, schaffte es aber, ihn zu unterdrücken. Dafür fühlte sie sich immer noch innerlich vereist. »Im Dienst scheine ich nicht mehr zu sein, also kann mir jemand einen Grappa bringen. Oder noch besser einen Liter Glühwein. Danach bin ich wieder topfit!«
    »Sie bleiben liegen, und Sie nehmen keinen Alkohol zu sich, signorina. Nicht einen Tropfen! Sie sind wegen stärkster Unterkühlung in medizinischer Behandlung und wer…«
    »Mit einem Liter Glühwein im Bauch werde ich von der Unterkühlung schlagartig nichts mehr spüren, und danach kann ich auch wieder einigermaßen klar denken. Was ist überhaupt passiert? Plötzlich verschwanden Häuser und Menschen, und dafür kam etwas anderes herein -Wasser, und diese Kälte! Und der Himmel war für ein paar Sekunden schwärzer als ein Stück Kohle im Tunnel! Das - habe ich mir doch nicht etwa eingebildet? Das war doch keine Halluzination, dottore?«
    Angst packte sie, Dinge gesehen zu haben, die nur in ihrer Einbildung existierten. Dabei hatte sie in ihrem ganzen Leben nie unter Halluzinationen gelitten.
    »Keine Halluzination, signorina. Was Sie gesehen und erlebt haben, war tatsächlich vorhanden. Sonst hätten Sie sich schließlich nicht diese starke Unterkühlung zuziehen können. Was sich genau abgespielt hat, wird man Ihnen in Ihrer Dienststelle sagen, sobald Sie hier entlassen werden und Ihren Dienst wieder aufnehmen können. Jetzt aber legen Sie sich erst einmal wieder hin, decken sich gut zu und…«
    Den Teufel werd’ ich tun! dachte Gabriella Pacoso, die sich bis auf die Kälte, die immer noch tief in ihren Knochen steckte, wieder auf dem Damm fühlte. Sie besaß eine eiserne Konstitution, um die sie mancher männliche Kollege beneidete. Sie wollte wissen, was passiert war, was dieser unglaublich starke Kälteeinbruch zu bedeuten hatte, und sie wollte mit Tonio reden. Wenn es um ihn wirklich so schlimm stand, daß ihm vielleicht abgefrorene Gliedmaßen amputiert werden mußten, dann brauchte er jemanden, der ihm zuredete und Mut spendete.
    Als sie den Kopf zur anderen Seite drehte, sah sie ihre Dienststelle neben dem Bett stehen. Raffael Re, der »Schreibtischtäter«, wie sie ihn alle nannten, der aber wie ein Vater für seine Untergebenen sorgte und für sie immer ein offenes Ohr hatte. Stumm hatte er die ganze Zeit dagestanden und zugehört. Gabriella hatte nicht einmal seinen Schatten gesehen!
    Jetzt lächelte er ihr zu.
    Sie schlug die Decke zurück und schwang sich aus dem Bett. Als sie aufstand, fühlte sie sich nicht im mindesten schwach auf den Beinen.
    Der Arzt griff zu und wollte sie in die Ruhelage zurückbringen. Doch sie bekam seinen Arm zu fassen und drehte ihn nach hinten. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht.
    »Wenn Sie mich nicht sofort loslassen, dottore«, zischte sie ihm zu, »breche ich Ihnen den Arm! Raffael«, sie drehte den Kopf, »ich bin weder krank noch dienstunfähig! Sie können wieder mit mir rechnen!«
    »Oh ja«, murmelte der Capo. »Das sehe ich - und wie! Lassen Sie den Mann los, Gabriella. Was soll der Unsinn?«
    Sie schob den Arzt und die Schwestern beiseite und ging zum Spind. »Wo sind meine Sachen? Da drin? Danke!« Daß sie nur ein Krankenhaushemdchen trug, das hinten geöffnet war, störte sie nicht im geringsten. Dann fand sie ihre Wäsche und ihre Uniform. »Na, was ist los? Wollen Sie mich nicht für drei Minuten allein lassen? Was muß ich noch anstellen, um Ihnen zu beweisen, daß ich kein Fall fürs Krankenbett bin?«
    »Ihre Unterkühlung. I..«, begann eine der beiden Schwestern, aber Gabriella unterbrach sie grob: »Hat nicht einmal zu einer lausigen Erkältung geführt, oder sehen und hören Sie mich husten, niesen oder schnupfen? Haben Sie erhöhte Temperatur feststellen können oder Hinweise auf eine Lungenentzündung? Nein? Dann gibt es keinen Grund, mich hier festzuhalten und mir nicht einmal einen Topf Glühwein zu genehmigen… Raus jetzt, aber schnell!«
    Raffael Re grinste. Das medizinische Personal dachte gar nicht daran abzudampfen, und er wollte sich nicht entgehen lassen, wie die temperamentvolle carabiniera Pacoso wieder mal ihr blondes Lockenköpfchen durchsetzte.
    Weil keiner ging, ließ sie das »Engelhemd« einfach so
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