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0495 - Die Schlucht der Echsen

0495 - Die Schlucht der Echsen

Titel: 0495 - Die Schlucht der Echsen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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gegangen. Die anderen Toten werden wir finden, wenn das Dorf abtaut - und das kann, wie gesagt, noch eine Weile dauern.«
    ***
    »Ich brauche unbedingt eine Schlange«, behauptete Nicole Duval und betrachtete den rötlichen Apfel, den sie in den Händen hin und her drehte. Professor Zamorra verzog das Gesicht. »Eine Schlange? Bist du irre? Was willst du mit dem Vieh?«
    »Es um mich wickeln und ihm diesen Apfel ins Maul drücken«, erklärte Nicole.
    »Und wozu soll das gut sein?«
    »Für meine Kostümierung«, erklärte sie. »Hast du vergessen, daß Ted Ewigk uns beiden zwei Einladungen zu einem großen Faschingsball in Rom besorgt hat? Zu einem Faschingsball gehört Kostümierung.«
    »Sicher«, murmelte Zamorra wenig überzeugt. »Habe ich diesen Quatsch wirklich vergessen? Wann haben wir denn diese Einladungen bekommen?«
    »Schon im Sommer! Kein Wunder, daß du’s vergessen hast. Schließlich hatten wir in der Zwischenzeit eine Menge zu tun.«
    »Und jetzt willst du dich kostümieren und brauchst dazu eine Schlange. Wie bitte, darf ich das denn mißverstehen?«
    »Ganz einfach. Hast du Kulturbanause schon mal einen Blick in die Bibel geworfen? Ich werde als Eva vor dem Sündenfall gehen.«
    »Deine Bekleidung wird also, wenn ich dich richtig verstehe, lediglich aus einer Schlange bestehen, die einen Apfel im Maul spazierenträgt«, sagte Zamorra. »Ist dir klar, daß diese Party in Rom stattfindet und daß die Italiener neben den Amerikanern das verklemmteste Volk der westlichen Welt sind? Wenn du dich da nackt in der Öffentlichkeit zeigst, verhaften sie dich schneller wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, als du ›Ich-will-sofort-meinen-Botschafter-sprechen‹-rufen kannst.«
    »Es findet ja nicht in der Öffentlichkeit statt. Es ist eine geschlossene Gesellschaft in höchsten Kreisen. Sogar ein paar Minister stehen auf der Gästeliste, sagte Ted.«
    »Um so schlimmer«, murmelte Zamorra. »Und die willst du mit einem Skandal aufmischen?«
    »Provozieren.« Nicole grinste schelmisch. »Einfach mal sehen, wie sie reagieren. Im Ballsaal werden sie mit Sicherheit keine Polizei herbeirufen und eine Verhaftung vornehmen lassen.«
    »Du bist ganz schön verrückt«, brummte Zamorra.
    »Du könntest dich übrigens an meinem Auftritt beteiligen und ihn zu unserem werden lassen. Zu Eva gehört schließlich ein Adam.«
    Zamorra winkte ab. »Ein so großes Feigenblatt gibt’s gar nicht, daß es für mich ausreichen würde.«
    »Wer spricht von Feigenblättern? Es handelt sich um das Szenario vor dem Sündenfall«, erläuterte Nicole. »Schwester Schlange hatte doch gerade erst mit der Apfelernte begonnen.«
    Zamorra winkte ab. »Schwester Schlange bekam daraufhin den Auftrag, fortan auf dem Bauche zu kriechen und Staub zu fressen - damit war der erste Staubsauger der Weltgeschichte erfunden. - Vergiß es.«
    Der Weg vom Château Montagne im Loire-Tal nach Rom war nicht weit. In einem der weitgehend unerforschten Kellerräume des Châteaus gab es unter einer auf rätselhafte Weise frei in der Luft schwebenden und seit einer kleinen Ewigkeit brennenden künstlichen Mini-Sonne eine Kolonie von Regenbogenblumen mit der fantastischen Eigenschaft, Menschen von einem Ort zu einem anderen zu versetzen, wenn es dort ebenfalls Regenbogenblumen gab - man mußte sich nur intensiv auf das Ziel konzentrieren.
    Im Keller von Ted Ewigks Villa am nördlichen Stadtrand Roms gab es ebenfalls diese seltsamen Blumen mit den fast menschengroßen Kelchen, die in allen Farben des Regenbogenspektrums schimmerten, je nachdem, aus welcher Perspektive man sie betrachtete.
    Ted selbst war nicht im Hause, als seine beiden Freunde auftauchten. Das hatte sie gegenseitig noch nie gestört. Außerdem war Carlotta anwesend, Teds schwarzhaarige Freundin, die eigentlich in einer kleinen Hochhauswohnung mitten in der City wohnte, ihren Lebensmittelpunkt aber immer mehr in Teds Villa verlegte. Nur ihren Job wollte sie nach wie vor nicht aufgeben, weil sie sich einfach nicht zu sehr von dem Mann, den sie liebte, abhängig machen wollte, und Ted akzeptierte das. Dabei hätte sein Geld zwanzigmal für beide ausgereicht.
    »Ted kommt bald zurück. Es dauert noch eine halbe Stunde, denke ich«, meinte Carlotta. »aber wir haben bis zu diesem blöden Faschingsball mit der High Society ja noch Zeit genug. Habt ihr überhaupt schon Vorstellungen, wie ihr euch kostümieren wollt?«
    »Ich klemme mir eine Feder hinters Ohr und trete als seltener Vogel auf«,
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