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0495 - Die Schlucht der Echsen

0495 - Die Schlucht der Echsen

Titel: 0495 - Die Schlucht der Echsen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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fallen und zog sich in aller Ruhe an. Erst, als sie auch den letzten Uniformknopf geschlossen hatte, wandte sie sich wieder um. »Und jetzt? Wie wollen Sie mich aufhalten, wenn ich darauf bestehe, auf eigene Verantwortung dieses Krankenhaus zu verlassen?«
    Der Arzt kapitulierte. »Mit Gewalt festhalten kann ich Sie nicht, aber ihren Entlassungsschein unterschreiben Sie selbst, damit uns hinterher keiner einen Strick drehen kann.«
    »Kein Problem.« Sie vermißte noch etwas. »Wo ist meine Dienstwaffe?«
    »Die habe ich«, sagte Re. »Ist nicht gut, wenn Pistolen und Munition in einem Krankenhaus herumliegen und nicht unter Verschluß genommen werden. Sie bestehen wirklich darauf, wieder diensttauglich zu sein?«
    Die Kälte in ihr war schon etwas abgeklungen. Der Adrenalinschub, den sie ihrem Kreislauf verpaßt hatte, wärmte sie bereits. »Ein Glas Glühwein wird reichen. Dann will ich mich mit Tonio unterhalten, und danach stehe ich wieder voll zur Verfügung, Raffael.«
    Der wechselte einen schnellen Blick mit dem Arzt. »In Ordnung«, sagte er. »Ich warte unten an der Anmeldung auf Sie, Gabriella.«
    ***
    Tonio Morcadis Hände waren bandagiert. Daß er vielleicht einige Finger verlieren könnte, hatte ihm noch keiner gesagt, und auch Gabriella sah keinen Anlaß dazu. »Du hast mich rausgeholt aus dieser Eishölle, nicht?« flüsterte er. »Danke, Gabriella. Ohne dich wäre ich jetzt wahrscheinlich ein Eiszapfen.«
    »Morcadi on the rocks?« Sie lachte leise und strich über seine fiebrige Stirn. Im Gegensatz zu ihr, die sich gesundheitlich überhaupt nicht beeinträchtigt fühlte, hatte es ihn böse erwischt. »Fang bloß nicht an, Dankbarkeitskomplexe zu entwickeln, Tonio. Das war reiner Eigennutz. Es würde mir keinen Spaß machen, mich an einen neuen Partner zu gewöhnen. Also sieh, verdammt noch mal, zu, daß du schnell wieder auf die Beine kommst. Dann weihen wir den neuen Dienstwagen ein - von dem alten dürfte ja nicht mehr viel übrig sein.«
    »Die Echsen«, sagte er leise. »Gabriella, die Echsen. Hast du sie gesehen?«
    »Wovon sprichst du?«
    Er versuchte sich aufzurichten, schaffte es aber nicht und begann zu husten. »Da - da waren ganz komische Leute! Gabriella, hast du sie wirklich nicht gesehen? Die - die Leute im Eis!«
    Fantasiert er? fragte Gabriella sich. »Nein, Tonio. Ich habe nur das Wasser gesehen, und dann war da diese unglaubliche Kälte und der schwarze Himmel.«
    »Du mußt sie doch gesehen haben«, murmelte er und hustete wieder. »Sie sahen aus wie Menschen, aber sie hatten Reptilköpfe. Wie Echsen, wie Krokodile… nein, besser Leguane oder…«
    Er unterbrach sich erneut.
    Eine Krankenschwester kam herein, durch die Hustenanfälle alarmiert. »Die fünf Minuten Besuchszeit sind um!« behauptete sie energisch.
    Diesmal protestierte Gabriella nicht. Diesmal ging’s ja schließlich auch nicht um sie selbst. »Ich komme morgen wieder, Tonio«, sagte sie und glaubte auch der Krankenschwester noch etwas mit auf den Weg geben zu müssen: »Signor Morcadi würde sich vielleicht schneller von seinen Erfrierungen erholen, wenn er länger als fünf Minuten, Menschen, Freunde, um sich hätte, mit denen er ein wenig plaudern könnte, statt hier in unverdienter Einzelhaft zu liegen. Geben Sie’s mit einem herzlichen Gruß von mir an Ihren Boß im weißen Kittel weiter!«
    Sie rauschte ab und fühlte sich wieder in ihrem Element. Sie war topfit, und die Kälte in ihr ließ immer mehr nach. Sie zitterte schon lange nicht mehr, hatte keine Schwindelgefühle und keine weichen Knie.
    Unten wartete Raffael Re auf sie.
    Und der war gar nicht mit ihr zufrieden. »Haben Sie sich schon einmal überlegt, Gabriella, daß Sie mit Ihrem Verhalten nicht nur sich, sondern auch andere Menschen in Teufels Küche bringen können? Der Arzt, den Sie mit Ihrer Selbstbefreiungsaktion, als die Sie Ihr Tun vermutlich betrachten, übel vor den Kopf gestoßen haben, hat nichts anderes getan, als sich um Ihr Wohlergehen und Ihre Genesung zu kümmern.«
    »Kein Grund, mich festhalten zu wollen, nachdem ich keine ärztliche Behandlung mehr benötige. Das kostet auch nur unnötig Geld, das den Staatshaushalt noch weiter ins Wanken bringt.«
    »Jetzt übertreiben Sie aber gewaltig.«
    »Vielleicht. Aber wenn Sie mein Verhalten von vorhin mißbilligen, Raffael, warum haben Sie dann zugesehen und sind nicht eingeschritten?«
    »Ich wollte Ihnen die Peinlichkeit ersparen, auch noch mit mir Streit zu bekommen«, sagte Re
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