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0482 - Der Ring des Hexers

0482 - Der Ring des Hexers

Titel: 0482 - Der Ring des Hexers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Er versuchte sich zu erinnern. Da war das Bild einer Frau, die er geliebt hatte. Sie war tot. Sie war aus dem Fenster gesprungen, weil sie für sich keinen Ausweg mehr sah. Da war ein Vampir. Einer der verhaßten, bösartigen Blutsauger, die Menschen töteten oder zu ihren willenlosen Sklaven machten. Der Vampir: ebenfalls ausgelöscht. Erleichtert atmete Gryf auf. Er haßte sie, diese langzahnigen Ungeheuer in Menschengestalt. Er jagte sie seit über 8000 Jahren. So lange lebte er schon, der blonde Druide vom Silbermond, der immer noch wie ein 20jähriger wirkte. Der Vampir war tot. Das war wichtig.
    Wo bin ich hier denn jetzt? fragte Gryf sich. Und warum ist es stockfinster?
    Dunkelheit. Nacht. Der Vampir. Aber den gab es jetzt nicht mehr. Gryfs Gedanken kreisten mehr und mehr, kehrten immer wieder zu dem Blutsauger zurück. Er begriff, daß er sich von diesem Gedankenbild unbedingt lösen mußte. Es blockierte ihn. Wenn er es nicht loswurde, konnte er sterben. Wie der Vampir gestorben war…
    »Verdammt!« keuchte Gryf. »Nicht mehr daran denken!« Seine eigene Stimme, flüsternd nur, kam ihm vor wie eine laute Explosion. Unwillkürlich zuckte er zusammen.
    »Warum sehe ich nichts?«
    Er bewegte die Hand, führte sie vor seine weit aufgerissenen Augen. Aber er konnte sie nicht sehen.
    »Du bist erwacht«, sagte ein Mann in seiner Nähe. Gryf erkannte die Stimme. Er hatte sie vor gar nicht langer Zeit schon einmal gehört, aber er wußte im Moment nicht, mit wem er sie in Verbindung bringen sollte. »So sieht man sich wieder«, sagte der Mann.
    »Wiedersehen?« fragte Gryf spöttisch, und abermals kam seine eigene Stimme ihm explosiv laut vor. »Ein schönes Wiedersehen, wenn’s im Stockdunklen stattfindet.«
    »Es ist nicht stockdunkel, mein Freund«, sagte die ruhige, etwas hohl klingende Stimme. »Es ist recht hell hier. Das ist wichtig. Sonnenlicht fördert die Genesung.« Hell?
    Ein kalter Schauer rann über seinen Körper. Es war hell? Das konnte nur eines bedeuten: Er war blind!
    In einer Panikreaktion wollte er sich hochschnellen, aber eine kühle Hand faßte ihn an der Schulter und drückte ihn auf sein Lager zurück. »Du mußt noch liegenbleiben, mein Freund«, sagte die ruhige, hohle Stimme. »Streng dich nicht an. Dann gewinnst du dein Augenlicht sicher wieder.«
    Gryf zuckte zusammen. Mit keiner Silbe hatte er dem anderen zu verstehen gegeben, daß er blind war! »Woher weißt du…?« entfuhr es ihm.
    »Deine Reaktion hat dich verraten«, sagte der andere und lachte leise. »Außerdem habe ich da meine Erfahrungen. Es geht vorbei, glaube es mir, mein Freund. Wenn du ruhig bleibst, wirst du schon bald wieder sehen können.«
    Gryf glaubte ihm kein Wort. Die Angst, für den Rest seines Lebens blind zu sein, ließ ihn frieren. Gleichzeitig fragte er sich, wo er diese Stimme schon einmal gehört hatte. Er kannte den Mann! »Wer bist du?« stieß er hervor. Abermals lachte der Unbekannte. »Ich bin Gevatter Tod.«
    ***
    Weil die Innenstadt von Rom ohnehin für den Individualverkehr gesperrt ist, schlenderten Nicole und Carlotta in den Mittagsstunden des folgenden Tages zum nicht einmal einen Kilometer von Teds Villa entfernten Bahnhof »Acqua Acetosa« und fuhren mit der Eisenbahn bis zum Lokalbahnhof »Roma-Nord«, wo sie in die U-Bahn umstiegen und sich, mit einer weiteren Umsteigepartie im Hauptbahnhof »Stazione Termini«, in den antiken Bereich Roms fahren ließen. Das alles kostete herzlich wenig Geld, nur empfand Nicole es als fast ebenso stressig, als sich todesmutig mit dem Pkw ins römische Verkehrsgetümmel zu stürzen und um die zu wenigen Parkplätze zu kämpfen. Um diese Zeit herrschte nämlich in der U-Bahn Hochbetrieb, und die Menschen preßten sich in den schmalen Wagen zusammen wie Sardinen in der Konservendose. Aber als die beiden Frauen dann wieder ans Tageslicht stiegen, brannte ihnen die Mittagssonne entgegen, die vor einer Stunde, als sie sich auf den Weg machten, erst einen Bruchteil ihrer Kraft entwickelt hatte.
    »Ich hatte gehofft, daß es südlich der Alpen etwas kühler sei als bei uns in Frankreich und Deutschland, aber das war wohl nichts… hier ist es ja fast noch schlimmer! Himmel, ich glaube, ich wandere in die Dolomiten aus, da ist’s wenigstens in den höheren Regionen noch einigermaßen auszuhalten.« Sie zupfte an ihrem leichten Minikleid, das sie schon im U-Bahn-Gedränge durchgeschwitzt hatte und das jetzt, durch die Feuchtigkeit fast transparent geworden, auf
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