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0478 - Der Friedhof der Lebenden

0478 - Der Friedhof der Lebenden

Titel: 0478 - Der Friedhof der Lebenden
Autoren: Werner Kurt Giesa
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flog quiekend davon. Entsetzt begann Valery zu laufen. Tollwütige Ratten hier, das fehlte ihr gerade noch!
    Erst als sie zwei Straßen weiter war, blieb sie wieder stehen und versuchte ihren jagenden Puls mit Atemübungen wieder zur Ruhe zu bringen.
    Sie war Zeugin einer Entführung geworden. Eigentlich müßte sie sofort zur Polizei gehen.
    Aber sie lebte unter falschem Namen hier. Auch wenn sie nur eine unbeteiligte Zeugin war, würde die Polizei ihre Personalien überprüfen. Sie besaß zwar einen neuen Paß auf ihren jetzigen Namen, aber der war gefälscht, und die Sozialversicherungskarte war noch »in Arbeit«. Das konnte Ärger geben, und das alles nur, weil sie vor dem Voodoo-Zauber ihrer Heimatstadt hatte fliehen wollen.
    Sie konnte aber auch nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen, als wäre nichts geschehen! Wenn sie sich vorstellte, daß sie die Entführte hätte sein können, wurde ihr fast übel vor Angst. Sie mußte etwas tun, um der Blonden zu helfen. Aber was?
    Ratlos stand sie da. Mit fahrigen Bewegungen schob sie sich endlich eine Zigarette zwischen die Lippen und setzte sie in Brand; es gelang ihr erst beim fünften Versuch. Sie sah sich um. Ganz in der Nähe befand sich ein Lokal, in dem sie bis vor einigen Wochen hin und wieder eingekehrt war. Lokal war übertrieben; es war eine Spelunke. Aber. Valery hatte sich mit einem Mädchen angefreundet, das hin und wieder dort arbeitete. Dieses Mädchen war dann aber eines Tages nicht mehr gekommen, und da hatte auch Valery darauf verzichtet, weiter in diese Kneipe zu gehen, in der sie als Frau nur zu oft als Freiwild angesehen wurde. Aber vielleicht konnte ihr der Wirt einen Tip geben.
    Vor allem brauchte sie jetzt jemanden, mit dem sie reden konnte.
    Entschlossen betrat sie die Kneipe.
    ***
    Wendy Nichols kämpfte gegen die Übelkeit an. Sie hatte nicht viel von dem Betäubungsgas eingeatmet - gerade so viel, daß ihr schwarz vor den Augen wurde und sie nicht mehr in der Lage war, sich zu wehren. Als sie erwachte, war sie das immer noch nicht. Die Übelkeit trieb ihr den kalten Schweiß auf die Stirn. Sie registrierte, daß das Auto losfuhr. Sie wurde in die Polster der Rückbank gepreßt. Links neben ihr saß einer der beiden Kerle, die aus dem Wagen gesprungen waren. Wendy hatte Mühe, zu begreifen, was sie sah. Der Mann trug einen Totenschädel auf den Schultern! Auch die beiden, die vorn saßen!
    Wenn es Masken waren, die sich diese Kerle über die Köpfe gezogen hatten, um nicht identifiziert zu werden, dann waren diese Masken verdammt perfekt. Wenn die Totenschädel echt waren, war diese Situation unmöglich, einfach grotesk.
    Noch während Wendy sich fragte, weshalb man sie verschleppte, veränderte ihre Umgebung sich abermals. Um sie herum löste sich alles auf, verschwand einfach. Die drei Männer, das Auto, alles verblaßte, wurde zu einer Nebelwolke, in der Wendy sich seltsamerweise nach wie vor in sitzender Position befand. Sie konnte das Polster unter sich nicht mehr sehen, aber noch spüren!
    Sekundenlang glaubte sie sich ganz allein auf der Straße zu befinden, in frei schwebender Vorwärtsbewegung.
    Dann verschwand auch die Straße mit den stinkenden, teilweise umgestürzten Müllkübeln und dem Unrat auf den Gehsteigen, mit den dunklen Häuserfronten, hinter denen sich niemand mehr um diese Zeit hinaus wagte. Alles verschwand.
    Ein Hieb traf Wendy an der Schulter und stieß ihren Oberkörper nach hinten. Sie saß nicht mehr in einer Limousine, sondern lag auf einer harten, kalten Platte. Metallspangen schlossen sich klickend um ihre Hand- und Fußgelenke.
    Sie riß die Augen weit auf.
    Über sich gebeugt sâh sie, einen Dolch in der Hand, einen Mann mit einem Totenschädel…
    ***
    Nicole Duval beugte sich über Professor Zamorra, um ihm einen zärtlichen Kuß zu geben und ihm zugleich mit ihrem Oberkörper die Sicht zu versperren. Zamorra nahm den Kuß entgegen und drehte seinen Kopf und Oberkörper dann leicht zur Seite.
    »He, versuche erst gar nicht, an mir vorbei zu schielen!« warnte Nicole ihn. Sie nahm seinen Kopf zwischen die Hände, zog ihn zu sich herum und küßte ihn erneut, diesmal etwas fordernder.
    »Du gönnst einem müden alten Mann aber auch gar nichts«, murmelte der Parapsychologe und Dämonenjäger, packte plötzlich zu und zog Nicole ruckartig auf sich, um den Kuß anhaltend zu erwidern. Der Fernsehsessel, in welchem er bei total zurückgeklappter Lehne mehr lag als saß, hielt die doppelte Belastung aus.
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